Daheim laufen kann jeder. Wer aber bei einem der ganz ganz großen Laufevents in Irgendwo-auf-dieser-Welt mit dabei sein will, hat drei Optionen: Entweder man ist Spitzenathlet, gewinnt in der Startnummernlotterie - oder bucht im Reisebüro.

Felix' Freundin staunte. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sicher: Wer ein bisserl läuft, redet gern darüber, dass er - oder eben sie - einmal einen ganzen Marathon absolvieren will...

Natürlich hat da jeder - und jede - eigene Vorstellungen über wo und wie. Aber dass Felix seiner Freundin dann tatsächlich zum Geburtstag - im Spätwinter - ein Kuvert in die Hand drücken würde, hätte Felix' Freundin weder erwartet noch gehofft. Im Kuvert war ein Gutschein. Für Berlin. Ein handgeschriebener Voucher. Flug- und  Hotelbestätigung. Und die Anmeldebestätigung für den Berlinmarathon.

Felix' Freundin war baff. Bis dahin hatte sie vor allem zwei Dinge über den Marathon in Berlin gewusst. Erstens, dass er im Herbst stattfindet. Zweitens, dass dort so viele Leute mitlaufen wollen, dass es de facto unmöglich ist, eine Startnummer zu ergattern.

Felix' Freundin wusste das auch von mir: Für den 2013er-Lauf, hatte man sich Ende Oktober 2012 anmelden können. Die ersten 5.000 erhielten einen Superpreis, die nächsten 5.000 einen guten Preis - ab Startplatz 10.000 war die reguläre Startgebühr fällig. Ich hatte es schon zwei Stunden nach Buchungsstart geschafft, auf die Homepage vorzudringen - und bekam einen Startplatz zum Normaltarif. Gerade noch. Heuer wurde das System umgestellt: Anmelden konnte sich jeder - ein Zufallsgenerator wählte aus. Wie beim Life Ball. Ich kenne Etliche, die da mitmachten - ohne jede Chance.

Kein Wunder, dass Felix' Freundin baff war: Wie hatte ihr Freund das angestellt? Glück? Bestechung? Vetternwirtschaft?

Nichts dergleichen: Felix war ins Reisebüro gegangen. Dort gibt es Startplätze. Nicht nur für Berlin - sondern für alle großen Läufe. (Nebenbei: Auch für den Life Ball. Auch wenn das ganz ähnlich wie bei den Marathonreisen funktioniert, ist das eine andere Geschichte. Obwohl ich Wiener kenne, die in Hamburg ihre Tickets für das Wiener Rathaus buchten. Egal.)

Die Sache ist die: Weil so viele Menschen laufen (wollen), stehen die Laufveranstalter vor einem Dilemma. Wenn man Tickets nur nach dem Prinzip „First Come - First Serve“ verkauft, erreicht man nicht jene Publikumsstreuung, die Veranstalter und Touristiker brauchen, um das Flair von Weltoffenheit und Internationalität auszustrahlen, das Laufen als völkerverbindendes Jedermannspektakel positioniert: Der Mix muss stimmen. Und zwar nicht nur der aus (teuer eingekauften) Elite-Läufern, guten internationalen Läufern, die bestimmte Zeitlimits unterbieten können und „Locals“ - sondern auch der Jedermann- und -frauläufer aus aller Welt. Darum gibt es Startplatzkontingente: Für Sportvereine. Für gute Läufer. Für den Zufallsgenerator. Und für Reiseveranstalter.

In letzterer Kategorie wird noch eimal national unterteilt. Nicht nach Buchungs-, sondern nach Herkunftsland: Ein Österreicher, der bei einem deutschen Reiseveranstalter eine Startnummer für den Marathon in Tokio buchen will, reist zwar mit der deutschen Gruppe - bekommt aber einen Platz aus dem Ö-Kontingent. Der deutsche Veranstalter muss den Platz aus dem Kontingent eines der österreichischen Veranstalter herauskaufen.

Lauftrips sind im florierenden Boom-Reisesektor „Outdoorreisen“ ein „Burner“. Sagt einer, der es wissen muss: Andreas Perer. Perer - selbst ehemaliger Leistungssportler - organisiert unter anderem Marathon- und Laufreisen. „Runners Unlimited“ heißt das Label, unter dem er Läuferinnen und Läufer (samt Begleitung) in alle Welt schickt (www.runners-unlimited.com). Gebucht wird da einerseits über „Ruefa“, andererseits über das Sport-Reisebüro der im Sommer an die britischen „Sports Direct“-Diskonter verramschten Eybl-Gruppe.

Wer bei einem der „Big Six“ (also den Marathons von Boston, New York, Chicago, London, Berlin oder Tokio) starten will, landet relativ rasch bei Perer: Am - vergleichsweise kleinen - heimischen Laufreisemarkt sind nicht einmal einen Handvoll Reiseveranstalter aktiv. Alle bieten Trips zum Lauf in der Ferne in Packages gepackt an - und sind in der Regel auch recht rasch ausgebucht. Und auch wenn das nach Gebietssschutz und einer Einladung zu „Apothekenpreisen“ klingt, verwahrt man sich gegen derartige Vorwürfe.

Zum einen, weil durch das frühe Buchen von größeren Hotel- und Flugkapazitäten oft andere Preise möglich sind, als Individualreisende beim Selbst-Zusammenstoppeln bekommen. Klar: 1:1 gibt man das aber nicht weiter.

Zum anderen - und vor allem - aber, weil die Pakete es Hobbyathleten erlauben, „carefree“ zu reisen und sich außer übers Laufen nur übers Laufen den Kopf zu zerbrechen. In New York etwa ist es mitunter mühsam, rechtzeitig vor der Sperre von einigen Straßen und Brücken in Manhattan zu sein. Auch wenn das nicht „Rocket Science“ ist: Sich keine Gedanken um Shuttle & Co machen zu müssen, hat Vorteile.

Und auch wenn ich kein Gruppenreisetyp bin: Ganz allein im Big Apple zwischen 50.000 anderen Läufern beim spektakulärsten Marathon der Welt anzutreten, würde mir dann doch ein bisserl sehr viel „kleiner Bub in der großen weiten Welt“-Gefühl vermitteln. SO selbstbewusst bin ich halt auch wieder nicht - also werde ich Anfang November mit Andreas Perer nach New York fliegen. Mal sehen …

Felix Freundin jedenfalls kam dieser Tage gerade aus Berlin zurück. Strahlend: Der Marathon war nicht nur ihr erster, sondern auch ein Traum. Die Zeit? Uninteressant. Darum geht es nicht.

Außerdem kann man an der ja arbeiten. Das meint auch Felix Freundin - sie hat Blut geleckt. Und wäre am liebsten gleich in New York dabei. So muss halt ich brav „reporten“.

Aber eines kann ich - mit meinen paar Läufen Vorsprung, schon jetzt sagen: 42 Kilometer sind auf der ganzen Welt 42 Kilometer. Die muss jeder selbst laufen. Überall. Daran ändert auch das komfortabelste „All-Inc-Carefree-Package“ nix. Und genau das macht die Sache schön und spannend.

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