Silvester Abzocke und andere Uber-Fälle

In der Silvesternacht verlangte der Alternativ-Taxidienst „Uber" das Drei- bis Fünffache seiner normalen Tarife. Das ist böse Abzocke. Oder doch nicht?

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Deshalb habe ich zu Silvester nicht bei Uber gebucht: Der Fahrpreis, den mir die App anbot, war nämlich jenseits von Gut & Böse. Das Vier- oder Fünffache des Regulären. Auf der Fahrt durch halb Wien hätte sich das zu einem knapp dreistelligen Sümmchen zusammengeläppert. Diese Summe stand – groß – in der Uber-App. Und zwar vor der Buchung. Danke. Genauer: Nein, danke.

Ich hängte mich also nochmal zehn Minuten in diverse Regulär-Taxi-Warteschleifen. Bekam eine 12-minütige Wartezeit „aufgebrummt“ – und gurkte dann heim. An den Taxiständen unterwegs stapelten sich die Wartenden. Das ist – soweit ich mich erinnern kann – taxitechnisch eigentlich immer so gewesen. Zu Silvester jedenfalls. Nur Uber gab es da noch nicht.

Ich hatte die Sache schon vergessen. Bis ich ein oder zwei Tage darauf wieder auf die Geschichte stieß: Von „Abzocke“ war da in der APA und einer Gratiszeitung die Rede. Von „horrenden Preisen“ und „reingelegten Fahrgästen“. Und so weiter. Die Taxi-Innung prangerte an. Ich staunte.

Nicht, dass Sie mich missverstehen: Ich weiß sehr genau um die Problematik von Plattformen und Services wie „Uber“. Oder „Airbnb“: Solange die Dinger klein sind, tun sie keinem weh und stellen eine brauchbare Alternative zu in verknöcherten Strukturen erstarrten Institutionen dar: Zehn WG-Zimmer in Wien, 15 Uber-Fahrer in der Stadt? Tut keinem weh. Hilft ein paar Leuten. Hoffentlich denen, die es brauchen.

Freilich: Sobald ein Alternativanbieter eine gewisse Breite erreicht, gelten andere Spielregeln. Nämlich die, nach denen auch die Andern, die „Großen“, spielen. Aus Gründen der Steuer- und Wettbewerbsgerechtigkeit. Und zum Schutz der Kunden: Etwa vor falschen Angaben, mangelnder Qualität der Herbergen (Airbnb) oder Sicherheit der Fahrzeuge (Uber), fehlender Qualifikation und Ausbildung und so weiter. Und: Abzocke.

Das kann ich fast alles nachvollziehen und verstehen. Obwohl ich auch weiß, dass es vielen der „alten“ Betriebe in Wirklichkeit weniger um diese Aspekte geht, als um Gebietsschutz und den Unwillen, sich an eine Geschäftswelt, die heute anders aussieht als im Gründungsjahr der Fiaker-Innung, anzupassen. Nur ein Punkt greift nicht: Der mit der Abzocke.

Denn im Gegensatz zu Hotelrechnungen, auf denen ich regelmäßig „irrtümlich“ gebuchte Getränke, Telefonate oder Dienstleitungen finde oder verdreckten Taxis mit unfreundlichen, ortsunkundigen und nach kaltem Rauch und alter Wäsche stinkenden Fahrern, die gern ein bisserl spazieren fahren, habe ich sowohl bei Airbnb als auch bei Uber nie versteckte oder nicht klar kommunizierte Gebühren verrechnet bekommen: Der Preis steht da. Vor der Buchung. Inklusive Allem. „Geringfügige Abweichungen“ sind bei uber verkehrs- oder witterungsbedingt möglich - aber auch das wird klar und vorher kommuniziert.

Denn das Schlüsselwort dieser Klausel lautet „geringfügig“. Ja eh: Uber-Preise sind flexibel. Sie richten sich nach Angebot und Nachfrage. Zu Zeiten, zu denen niemand ein Taxi braucht, ist Uber unschlagbar billiger als die „legal“ und mit genormten Taxametern fahrenden Mietwägen. Zu Zeiten, in denen alle gleichzeitig ein Taxi wollen, gilt dann das Gegenteil. Die Silvesternacht ist so ein Nadelör: Taxifunkzentralen sind da telefonisch wie per App unerreichbar. An Standplätzen wird in Kompaniestärke campiert. Und auf der Straße werfen sich Verzweifelte vor Droschken.

Das war - wie schon erwähnt - auch vor Uber so. Uber hat nur eines geändert: Es gibt einen Plan B. Und der sagt - schon beim Anwerfen der App -, wenn heute ein besonderer Tag ist. Und die Nachfrage die Preise nach oben geschnalzt hat. Als ich zu Silvester auf die App schaute war das eben das Drei- bis Fünffache des Normalen: Das stand aber da. Als Hinweis. Oder Warnung: Groß und fett.

In einer Welt, in der alle von liberalisierten, deregulierten Märkten und dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage reden, wo der geile Geiz und der ruinöse Tiefstpreis Schnäppchenjägers höchstes Glück sind, gilt eben auch dieses Prinzip der freien Marktwirtschaft: Wird Ware knapp ist, kostet das Standardprodukt den Premiumpreis. Und Solange es jemanden gibt, der bereit ist, den Preis zu zahlen, ist das auch legitim. Mit einer ganz ganz wesentlichen Einschränkung: Wir sprechen nicht von lebensnotwendigen Produkten. Nicht von Lebensmitteln. Nicht von Infrastruktur, Dienst- und andern Leistungen, an denen man nicht vorbei kommt. Sondern von Draufgaben. Von Luxuszeug. Von Nicetohaves. Also nettem Unnötigen.

Sofort verfügbare Taxis in der Silvesternacht fallen - in meinen Augen - in diese Kategorie. Insbesondere weil es ja die Normalpreisigen - wenn auch mit längeren Wartezeiten - auch gibt. Und auch Öffis fahren.

Darum gilt: Wer wirklich will, kann, darf und soll kaufen. Nur: Niemand muss.

Ich habe genau deshalb nicht gebucht. Meine Entscheidung. Die eines mündigen Kunden. Eines Kunden, der ein Anbot einholt - und ablehnt, wenn er den dafür verlangten - offen kommunizierten - Preis für inadäquat hält.

Darum hält sich hier mein Mitleid mit allen, die von „Abzocke“ sprechen, in sehr sehr engen Grenzen: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

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