Spartas Armee ging 480 vor Christus auf den Thermopylen in den sicheren Tod - wich aber keinen Fuß zurück. Darauf sind viele Griechen bis heute stolz - und wer heute mit offenen Augen durch Sparta wandert, erkennt: Viele Griechen sehen sich heute als die 300 - und Europa als die Übermacht, die sie vernichten will.
Schon blöd, dass Troja den bessern Hollywood-Stoff abgegeben hat. Schließlich ist die Geschichte „Junge Schönheit läuft altem Knacker mit jungem Schönling davon - und der alte Knacker macht dafür Stadt und Heimat des Schönlings platt“ in puncto Herz-Schmerz und Kitsch wirklich ergiebiger als der Plot „Aggressiver Kriegerhäuptling lässt lieber seine Armee komplett aufreiben als nur einen Schritt zurück zu weichen“. Außerdem klingt Letzteres nicht nur nach der Schlacht auf den Thermopylen, sondern auch nach Stalingrad: Filme, in denen die deutsche Wehrmacht heroisiert wird, sind (zum Glück und aus gutem Grund) eher weniger en vogue - und: wer liest (abgesehen von Gymnasiasten in der sechsten oder siebten Klasse) heute eigentlich noch Heinrich Böll?
Troja versus Sparta also. Weil Troja da medial gewinnt und man den Leuten zu Sparta zu viel erklären müsste, lassen politische Kommentatoren derzeit einen schönen Griechenland-Vergleich links liegen: Den von König Leonidas I und seinen 300 Spartanern, die sich 480 vor Christus in der Schlacht auf den Thermopylen dem angeblich gut zwei Millionen Soldaten zählenden Heer von König Xerxes entgegenstellten. Und wussten, dass sie keine Chance hatten.
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Die Schlacht fand - vermutlich - am 11. August statt. Die Themopylen sind ein Engpass. Etwa 15 Meter breit war der seit jeher strategisch hoch wichtige Durchlass zwischen dem Kallidromos-Gebirge und dem Golf von Malina in der Antike. An der schmalsten Stelle gerade eine handvoll Meter. (Heute sind die Thempoylen versandet - und eine weite Landschaft.)
In der Legende spricht man heute nur von 300 Spartiaten - die Verbündeten (Hopliten, Arkadier und andere) fallen unter „ferner liefen“ (oder „fielen“): Glaubt man Herodot, kamen in der Schlacht neben den 300 Spartanern um die 3000 oder 4000 Griechen um. Freilich nicht ohne den Persern „empfindliche Verluste“ beigefügt zu haben.
Doch egal: Xerxes obsiegte - und konnte ungehindert in Athen einmarschieren. Und auch wenn in den folgenden Schlachten (etwa Salamis und Marathon) die griechischen Stadtstaaten die Perser schlagen und ihre Unabhängigkeit verteidigen konnten, ist Sparta heute der Name mit Klang: Just die verheerende Niederlage trug den Spartanern ihren „heroischen“ Ruf ein. Dass ein gewisser Hermann Göring sich im Jänner 1943 auf ebendiese „Armee, die niemals weicht“ berief, hatte Gründe - und besiegelte das Schicksal von Hunderttausenden deutschen und russischen Soldaten (und Zivilisten) im sinnlosen Massensterben in, um, bei und nach Stalingrad.
Die Analogie des wiederholten Wahnsinns kann - nein: muss - man nachlesen. Bei Heinrich Böll. Unerreicht.
Mir geht es heute aber um etwas Anderes. Um eine andere Analogie. Die zwischen dem „Nein“ der Griechen vom Sonntag - und dem, wofür Sparta steht. Darum, dass der Stolz vieler Griechen auf der eigenen antiken Geschichte fußt: Kultur. Demokratie. Sprache. Wissenschaft. Philosophie. Und eben Sparta: Das Stolze. Das Unbeugsame. Das Volk, das sich einer Übermacht in den Weg … und so weiter.
Ich war nämlich dort. Nicht auf den Thermpolyen - sondern im Sparta von heute. Im Mai. Auf einer Pressereise über den Peloponnes, also das griechische Festland: Wunderschön - aber doch so ganz anders, als das Griechenland, das man als Urlaubsziel kennt: Klar sind da die Strände und die Tavernen. Die Gerüche, Geschmäcker und der Klang. Aber man steht eben - da Festland - nicht alle drei Minuten schon wieder in türkisblauem Wasser. Sondern hat mitunter stundenlange Fahrten über karges, wildes und hügeliges Land zwischen sich und dem Strand.
Dieses Land prägte. Machte rau, ausdauernd - und stur. Bis (fast) heute. Nicht nur die Spartaner: Die „Mani“, südlich von Sparta, etwa ist auch so ein „zähes“ Gebiet. Die Mani ist eine Region, die fast immer das Attribut „wild“ vorgestellt bekommt. Aus gutem Grund: Die Bewohner pfiffen der Zentralregierung was. Seit jeher. Bis ins 19. Jahrhundert. Blutrache, Sippendenken und andere archaische Bräuche waren sogar bis ins 20. Jahrhundert weit verbreitet - und so schön und entrisch und wild (sic!) die Mani sich heute auch präsentiert: Die Geschichte und den Stolz spürt, hört und sieht man.
Aber eigentlich wollte ich ja bei Sparta bleiben. Dem Ruf. Und dem, was es heute ist: Das heutige Sparta ist eine denkbar öde Kleinstadt. Im 19. Jahrhundert errichtet. Straßen nach Schachbrettmuster: Eine Provinz-Verwaltungsstadt, nur eines zu bieten hat: Einen Namen.
Und den Stolz auf die Geschichte: Am Ende der Hauptstraße steht ein Denkmal. Das von König Leonidas. Ein Besucher, der hier kein Foto macht, wird schel angesehen: Bei meiner morgentlichen Laufrunde knipste ich natürlich - und ein paar Spartaner, die ein Eck weiter Schlange standen, nahmen es wohlwollend zur Kenntnis. Einer hielt mich auf. Ob ich das Zeichen an der Wand gegenüber auch gesehen hätte? Hatte ich nicht. Ich solle, meinte der Mann, noch einmal hingehen - und genau schauen.
Ich war neugierig - und ging zurück. „300 is here“ stand da. Rasch hingesprayed. Unter den Augen von Leonidas. Ich schoss ein paar Fotos - und ging zurück. „Hast du verstanden?“ fragte der Mann in der Warteschlange. Ich nickte. Am vorderen Ende der Schlange öffnete sich die Tür der Bank: „Wir holen unser Geld - bevor man uns alles wegnimmt“, sagte der Mann. Es war Mai. Vom Referendum noch keine Rede.
Der Unbekannte schüttelte mir die Hand - und wünschte mir, sich und uns allen „Viel Glück. Wir werden es alle brauchen. Halt die Augen offen - und denk an die Geschichte von Leonidas: Wir gingen damals in den sicheren Tod - aber aufrecht. Aber auch das Reich der Perser ging unter.“
Ich habe den Mann danach nicht wieder gesehen. Aber den Spruch schon. In mehreren Versionen. Neben „300 is here“ waren es meist zwei Varianten: „We are 300“ und „300 is now“.
(Anmerkung: Die Reise über den Peloponnes war eine Einladung der „Griechischen Zentrale für Fremdenverkehr“ http://www.visitgreece.gr/
und der „My Holiday“-Flugschiene der AUA http://myholiday.austrian.com/)