Ich habe versagt. Und stehe jetzt nackt da. Ohne Orden. Und deswegen lacht mein Freund C. mich jetzt aus: Er hat nämlich unlängst einen bekommen - aber weil ich mich um meinen nicht gekümmert habe, steht er ordenstechnisch jetzt hoch über mir. Obwohl sein Orden nur irgendwas auf Landesebene ist. In Bronze: C. hat ein paar Leben gerettet. Aber darum geht es nicht - sondern um mein Versagen.
Weil: Eigentlich bin ich wichtiger. Habe größere Meriten. Bin der bessere Mensch. Strahle nicht bloß auf Landesebene in Bronze, sondern heller. Weiter. Mächtiger. Sagt mein Orden. Respektive: Würde mein Orden sagen. Wenn ich das Abholen - also den physischen Akt der Entgegennahme - nicht verschlampt hätte: Weil mein Oden ein europäischer ist, hätte ich ein Mail abschicken müssen - dann hätte ich ihn bekommen. Den „Europäischen Who is Who Orden“.
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Danke!
Den wollte mir die „European Who is Who Association“ nämlich im Frühjahr 2014 verleihen. Als Anerkennung für mein - damals - mehr als zehnjähriges „Wirken“. Wie und als was ich „gewirkt“ habe? Ganz einfach: Mein Verdienst ist, dass mein Name im Jahr 2014 schon seit zehn Jahren im österreichischen „Who is Who“ steht. Diese Leistung, schrieb mir Manuela Hernández Pérez, die „Vorsitzende des Direktionskomitees“, füge sich grandios in die „Ziele dieser Organsiation“ ein. Diese seien die „Vertiefung des Verständnisses für die unterschiedlichen Lebensweisen in europäischen und internationalen Staaten und dieFörderung enger Kontakte zwischen den Kulturen.“ (Das unterstrichene stand so im Mail.) Der „Preis“ (gemeint war wohl der Orden), schrieb mir die „Vorsitzende des Direktionskomitees“ vergangenen März freudig, werde „jährlich an ausgewählte Persönlichkeiten verliehen – siehe die Verleihungsbedingungen
Da war nur ein klitzekleines, organisatorisches Detail: „Gleichzeitig mit der Annahme des Preises stimmen Sie der Jahresmitgliedschaft in derEuropean Who is Who Association (EU-WIWA)zu, die Ihnen im Sinne der Organisationsziele viele Vorteile bietet“. Leider wurden die „vielen Vorteile“ nicht genauer spezifiziert. Egal: Was zählt, ist die Ehre qua Ehrung. Außerdem: „Die organisatorischen Kosten rund um die Preisverleihung übernehmen wir zur Gänze.“
Nur Kleingeister irritiert da noch das Kleingedruckte: „Der Jahresmitgliedsbeitrag beläuft sich auf 99,00 Euro.“ Wobei man dafür eh prompt bedient wird: „Sofort nachdem Sie Ihre Annahme-Erklärung an uns zurückgesendet haben, wird Ihnen der kostbare Preis bestehend aus der Verleihungsurkunde und dem Europäischen Who is Who-Ordenper Post zugesandt.“
Natürlich gab es auch eine Frist zuzusagen. Doch irgendwie ließ ich die verstreichen. Und stehe jetzt ohne Orden da. Und C. lacht mich aus. Aber: das habe ich mir selbst eingebrockt.
Neben C.s Hohn und Spott, wenn er mir seinen für banal-mehrfaches Menschenlebenretten (plus jahrelanges Commitment als Freiwilliger in einer Blaulichtorganisation) verliehenen Provinzorden dritter Klasse vor die Nase hält, gibt es noch einen Grund, dass die Erinnerung an mein schmachvolles Versagen nun wieder aufpoppt: Vor wenigen Tagen wurde ich aufgefordert, meine Daten im „Who is Who“ zu aktualisieren. Schließlich ist mein Eintrag ja über zehn Jahre alt - und falls sich an meiner Wichtigkeit seither irgendwas geändert haben sollte, wäre jetzt die ideale Möglichkeit, Updates bekannt zu geben: Bis zum 15.1. hätte ich Zeit - dann sei Redaktionsschluss für die 27. Ausgabe der Ö-Ausgabe des epochal-essenziellen Nachschlagewerkes über Alle, die hierzulande relevant und erwähnenswert sind.
Außerdem hagelt es für als wichtig Benannte Vorteile und Privilegien: Wenn ich bis Redaktionsschluss das neue, 27., Who-is-Who-Österreich bestellen würde, bekäme ich einen Super-Super-Mega-Rabatt. 30 Prozent. Für die „Economyausführung mit praktischem Pappband“ müsste ich statt € 239 lediglich € 167,30 bezahlen. Und die „Businessausführung mit hochwertigem Leineneinband“ käme statt um € 399,00 für schlappe € 279,00 ins Haus.
Nicht inkludiert wäre da allerdings das, was mir vor elf Jahren, als mein „Wirken“ im Who-is-Who begann, von der „Rechercheurin“ angeboten wurde: Das Super-Upgrade meines Eintrages. Mit Foto. Und allerlei Pi-Pa-Po. Ich habe damals gesagt, ich würde überlegen - und dieser Vorgang ist noch immer nicht beendet.
Obwohl: Ein bisserl wurmt es mich ja immer noch, dass ich damals, als man mir vor 12 Jahren anbot, einen Eitrag zu verfassen, so dass ich seit nunmehr elf Jahren „wirken“ kann, log. Denn als man mich anrief und mich fragte, ob ich - kostenfrei - im Almanach der Wichtigen verewigt werden wolle, verschwieg ich, dass mein „Ja“ nur dem üblen Zweck diente, eine Geschichte über das Wichtigmachen und Wichtigwerden zu erschleichen. Und herauszufinden, ob es wohl stimme, dass die „Redakteure“ der „renommierten Personenenzyklopädie aus der Schweiz“ zumeist Pensionisten sind, die ohne Gegenchecken alles brav abtippen, was man zur eigenen Biographie vorflunkert - und nach dem „Interview“ eine Preisliste zücken: Für mehr als die Mindestlänge. Fotos. Platzierungen. Wasauchimmer, Und natürlich das „Werk“.
Es war genau so. Und - kurz gesagt: Ich hatte eine Menge Spaß. Ich log, dass sich die Balken bogen. Alles wäre erschienen. Blöderweise aber unter „Extras“. Und zahlen wollte ich für den von mir verzapften Blödsinn natürlich nicht. Dennoch begann damit mein „Wirken“: Der kostenfreie Basiseintrag erschien im 16. oder 17. Jahrgang der Österreichausgabe - und ein kurzes Blättern durch das „Werk“, das die „Rechercheurin“ mich zum Gustomachen während des Interviews/Verkaufsgespräches kurz durchblättern ließ, wäre fast Grund genug gewesen, das Oeuvre zu kaufen: Schließlich wollte ich immer schon wissen, was Kaufmann Huber aus Amstetten, Friseurin Gruber aus Purkersdorf und Bahnhofsvorstand Fidibus aus Voitsberg so alles geleistet hatten - und wer von diesen VIPS aller schon schlau genug war, diese Leistungen beim globalen Netzwerken gekonnt herauszustreichen und einzusetzen.
Schließlich erklären die Macher des Werkes in ihren Mails gut verständlich, wieso Dabeisein so wichtig ist: „Ihre zentralen Vorteile:>>Potentielle Businesspartner und Kunden finden Sie in einem renommierten Nachschlagewerk.>> Ihre Biographie streicht Ihre Kompetenzen heraus und hat Vorbildwirkung.>> Sie entscheiden selbst, welche Informationen Sie von sich preisgeben möchten.“
Noch ein Grund, dass ich das Ding eigentlich hätte kaufen müssen: Ich würde wirklich gern wissen, wem aller ein Eintrag in voller Länge mit Bild wieviel wert ist. Und zwar jedes Jahr aufs Neue. Wieso ich damals, vor zwölf Jahren, aber ebenso versagte, wie ich es voriges Frühjahr auch tat, kann ich heute nicht mehr sagen.
Doch das Versagen ist nicht final: Denn der Who-is-Who-Verlag verzeiht. Und erinnert. Deshalb bin ich zuversichtlich, auch nächstes Jahr eine Erinnerung zu bekommen, in der mir erklärt wird, wie „Netzwerken leicht gemacht - In der Who is Who Online Community“ funktioniert: „In der World Society, der Online Community des Schweizer Who is Who-Verlages, wartet ein europaweites Netzwerk mit Who is Who-Mitgliedern aus Österreich, Deutschland, Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Russland, Rumänien, Griechenland und Kroatien auf Sie.“
Und falls das noch nicht genug sein sollte, kommt zum Schluss noch das Killerargument: „Wussten Sie, dass sich gleichzeitig mit dem Erwerb einer Fotoveröffentlichung oder einer Who is Who-Enzyklopädie die Online Community automatisch für Sie öffnet? Sie müssen keinen zusätzlichen Mitgliedsbeitrag bezahlen, um in der Who is Who-Welt Ihre (Geschäfts-)Kontakte zu knüpfen.“
Da nicht zuzuschlagen ist echt schwer. Aber ich warte noch: in neun Jahren „wirke“ ich nämlich seit 20 Jahren. Da gibt es sicher einen neuen Orden. Nicht bloß europäisch, sondern global. Dann werde ich zuschlagen - und dann wird Freund C. mit seinem popeligen Lebensretterschnickschnackprovinzdings schon sehen, wessen Leistungen wirklich zählen.
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