"Asyldebatte" 1990-2023: Stimmung, Stimmung, Pogromstimmumg!

Bei dem, was ab 1990 begann, als die Zahl der Asylbewerber durch sogenannte Ostblockflüchtlinge und den Jugoslawien-Krieg sprunghaft anstieg, noch von einer Debatte zu sprechen, grenzt an Euphemismus, es war schlicht Hetze. Von politisch Verfolgten war nicht mehr die Rede, es schien nur noch „Asylschmarotzer“ und „Asylbetrüger“ zu geben, die Folter in türkischen Gefängnissen, die Angriffe vor denen Sinti und Roma aus Rumänien spielten keine Rolle mehr. Jeden Tag kommen mehr Flüchtlinge nach Deutschland und jeden Tag werden die Probleme deutlicher, die damit verbunden sind: Mord- und Totschlagsdelikte, Vergewaltigungen und andere Straftaten machen vielen Menschen Angst. Im September 1991 verschickte der damalige CDU- Generalsekretär Volker Rühe ein Rundschreiben an alle Fraktionsvorsitzenden seiner Partei, in dem er dazu aufforderte, in Stadträten, Landtagen und Bürgerschaften „die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPD dort herauszufordern“. Es wird offenbar, dass Bund, Länder und Gemeinden – also wir alle – durch ungeschützte Grenzen an die Grenzen unserer Leistungskraft kommen, emotional und finanziell. Im gleichen Monat gab es die Ausschreitungen in Hoyerswerda, tagelang griffen Neonazis ein Wohnheim für Vertragsarbeiter und Geflüchtete an, warfen Molotow-Cocktails und Steine und attackierten die Bewohner – das alles unter dem Applaus einer johlenden Menge. Die Dramaturgie des Scheiterns ist immer gleich: Die Bürger wehren sich, die Politik zieht durch, die Vernunft bleibt auf der Strecke – und am Ende ist das Vertrauen in die Politik weg. Es herrschte Pogromstimmung im Land, Unionspolitiker befeuerten sie im Schulterschluss mit der Springerpresse weiter, auch der Spiegel sprang auf. Mit Erfolg, bei einer Umfrage im Februar 1992 sprachen sich 74 Prozent der Befragten für eine Asylrechtsänderung aus. Im August kam es in Rostock zu den größten rassistischen Ausschreitungen der Nachkriegszeit, dass es keine Toten gab, grenzte an ein Wunder. 400 Flüchtlinge auf 500 Einwohner sind das Gegenteil von sinnvoller Integration – eine solche Verteilungspolitik verkehrt das Streben nach friedlichem und fröhlichem Zusammenleben ins Gegenteil. Das wirkt sehr schnell so, als ob man von den Einheimischen verlange, sich in den Kreis der Fremden zu integrieren – statt umgekehrt. Der damalige CDU-Innenminister Rudolf Seiters zog aus dem Pogrom das Fazit: „Wir müssen handeln gegen den Missbrauch des Asylrechts.“ Als makabere Konsequenz aus der Welle rassistischer Gewalt machte die SPD den Weg frei für die De-Facto-Abschaffung des Asylrechts. So entsteht auf beiden Seiten Aversion, nicht Inklusion. Sobald der Eindruck entsteht, die eine oder die andere Gruppe werde benachteiligt oder pauschal diffamiert, entsteht der politische Treibstoff, den die Feinde der Demokratie für ihre Zwecke nutzen können. Ausgerechnet an dem Tag, an dem die Parteispitze ihre „Petersburger Beschlüsse“ fasste, flogen in Rostock-Lichtenhagen die ersten Steine auf die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber. Eines noch, falls Sie das alles genauso sehen: Wer es ausspricht, ist nicht rechts - sondern hat Recht. Eine Woche später setzten Neonazis mit Molotowcocktails zwei Häuser in Mölln in Brand. Eine türkische Frau und ihre beiden Enkelinnen sterben. Neun weitere Menschen erlitten teils schwere Verletzungen.

(https://www.freitag.de/autoren/martina-mescher/1993-woerter-als-brandsatz, https://www.bild.de/politik/kolumnen/kolumne/kommentar-integration-verkehrt-82782704.bild.html)

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Aron Sperber

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