Es lohnt sich, bei jedem großen Vermögen jenes Verbrechen zu finden, das ihm zugrunde liegt. Im vorliegenden Fall haben wir es mit einem Clan zu tun, dessen Methoden, zu Reichtum und Macht zu gelangen, sich lange nicht von denen der Zeitgenossen unterschieden: So behauptete man einfach, von höherem Rang zu sein als andere Menschen und nutzte diesen Betrug zum Raub von Arbeitsleistungen und Sachwerten, später kam noch ein religiöser Fanatismus dazu, der dabei half, den eigenen Machtbereich kontinuierlich zu vergrößern.
Natürlich gab es auch Rückschläge: Die nicht sonderlich kluge Ehefrau eines Clanchefs meinte, sie könnte die Macht des Clans durch den Krieg mit einem Nachbarland vergrößern – eine groteske Fehleinschätzung: Man verlor nicht nur den Krieg, sondern auch einen Großteil seiner Gebiete, die man aber nach einigen Jahren wiedererlangte. Kurz: man war schnell zurück in alter Form und beteiligte sich emsig an der Unterdrückung noch der zaghaftesten Versuche, im politisch rückständigsten aller Länder zumindest eine bürgerliche Revolution zuwege zu bringen. Dabei erhielt der Sohn des Clanchefs den wenig schmeichelhaften Beinamen „Kartätschenprinz“. Eine nicht unverdiente Ehrung, denn nach einer Reihe blutiger Auseinandersetzungen, ja regelrechter Kriege erlangte der Clan die Macht im Staat, die er in den nächsten 40 Jahren nicht mehr hergeben sollte. Der ehemalige Kartätschenprinz nannte sich nun „Kaiser“ und erlebte als Clanchef eine nie zuvor erlebte Macht.
Aber die größere Macht brachte auch größere Verbrechen: Man verfolgte nicht nur linke Politiker oder betrieb eine hemmungslose Aufrüstung, man verübte auch in den neuen, „Kolonien“ genannten Einflussgebieten einen Völkermord und steuerte auf die große Katastrophe zu, welche die Herrschaft des Clans zwar beenden, aber auch Millionen Menschen das Leben kosten sollte. Und es war ein merkwürdiges Bild, welches diese Vorkriegszeit abgab: Auf der einen Seite erreichten die Technik und die Künste einen nie zuvor da gewesenen Fortschritt – die Eisenbahn beschleunigte das Reisen, Telefone und ein außergewöhnlich gut organisiertes Postwesen die Kommunikation, die Maler malten blaue Pferde, die Musiker bastelten an einer völlig neuen Musik, die Dichter entwickelten die literarische Moderne und tobten sich im Expressionismus aus – und zur gleichen Zeit stand dem Staatswesen ein Clanchef vor, der großen Wert auf seine täglich wechselnden Uniformen legte, wie manisch auf die Jagd ging, damit protzte, zehntausende Tiere „zur Strecke gebracht“ zu haben und der im Verbund mit einer ihm ergebenen Kamarilla den größten und grausamsten aller bislang geführten Kriege vom Zaun brach. Alleine in einer Schlacht vor der Festung Verdun, bei welcher der Sohn des Clanchefs die militärischen Operationen leitete, starben eine Million Menschen. Als dieser Krieg endlich vorbei war, hatte auch das Volk genug von der Herrschaft dieses Clans in Deutschland.
Der „Kaiser“ zog sich ins Exil zurück, aber nicht ohne einen großen Teil seines Besitzes zu behalten. Zwar sollte er sein Beuteland nie mehr betreten, sein ältester Sohn aber, der Kronprinz, wurde zu einer bedeutenden und zwielichtigen politischen Figur in der vergleichsweise humanen Republik, die nach dem Ende der Clanherrschaft entstanden war. Kaum wurde die Republik von ihrem schärfsten Feind, einem beispiellos brutalen Verbrechersyndikat, erst geschwächt und dann zerstört, machte sich der Kronprinz an das neue Regime heran und verhalf ihm zur Anerkennung bei denjenigen, die dem alten Clan nachtrauerten. Er schüttelte die Hand des führenden Verbrechers, er trat in dessen Organisationen ein und half auf diese Weise mit, den nächsten, noch grausameren Krieg in Europa anzuzetteln, und wenn auch zweifelsohne sehr viel Blut an den Händen des Clans klebt, so klebt doch noch sehr viel mehr an den Händen des Verbrechersyndikats. Dass der Clan nach der folgenden, verheerenden Niederlage weitere Teile seines Raubguts verlor, verwundert nicht, um so befremdlicher ist aber, dass der jetzige Clanchef alles daran setzt, einen Teil des verlorenen Vermögens wieder zu erlangen und dass er für dieses Ansinnen auch noch Verständnis erwartet.
Es müssen die Menschen, die der Clan in seiner Unverfrorenheit als „Untertanen“ beschimpft, irgendetwas an den Clanmitgliedern finden – ist es die autoritätsfixierte Lust an der Unterwerfung, die Faszination, welche die reaktionärsten Kader der Herrschenden auszustrahlen scheinen oder handelt es sich einfach um das Symptom einer Zeit, die auf dem Weg in eine rechte Republik alle zivilisatorischen Standards abzulegen entschlossen scheint?
Oder liegt es daran, dass der Clan der Hohenzollern nie eine Shisha-Bar betrieben hat?