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„Darf man sich über den Tod von Terroristen freuen?“ fragte ein gewisser Filip Piatov auf bild.de, nachdem im Libanon die Pager explodiert waren. Er bejahte die Frage, denn jeder tote Terrorist sei unfähig, weiteres Leid zu verursachen.
„Darf man sich über den Tod eines Terroristen freuen?“ fragte wenige Tage später Jan Fleischhauer im „focus“, als der Tod des Hisbollahchefs bekannt wurde. Nach der üblichen Linkenschelte (je marginalisierter und die Linke ist, um so mehr wird sie dämonisiert) durch sattsam bekannte Verweise auf die RAF und einem etwas kontextlosen Max-Goldt-Zitat kommt auch dieser Journalist zu dem Ergebnis, dass die Welt nun „ein Stück besser“ geworden sei.
Worüber man sich allerdings nicht freuen darf, ist der Tod von Faschisten, selbst wenn die noch leben und es noch nicht ausgemacht ist, ob sie zum zweiten Mal ein Amt (Präsident der USA) ausüben dürfen, in dem sie nicht wenig Unheil anrichten können. Daher feuerte der rbb seinen Mitarbeiter Sebastian Hotz, denn ein Faschist, der nicht im Libanon lebt, steht dem deutschen Medienkonsumenten denn doch zu nahe, als dass sein Tod ihn nicht berühren würde. Da will man Ärger vermeiden, zumal als öffentlich-rechtlicher Sender, der sich dem Dauerbeschuss von Faschisten (AfD) ausgesetzt sieht, die ihn abschaffen wollen, um die Medien endgültig zur Spielwiese rechtsradikaler Milliardäre umzugestalten.
Doch die Frage, die Piatov und Fleischhauer als allenfalls rhetorische stellten, ist eh die falsche, denn der Freude über den Tod eines Menschen, so brutal er in seinem Leben auch agiert haben mag, haftet stets etwas Primitives an. Wir trauern um Menschen, die uns nahegestanden haben, den Tod aller anderen nehmen wir, nehmen wir ihn überhaupt wahr, achselzuckend zur Kenntnis. Dass Nasrallah und die ca. 40 seiner Untertanen, die den Pagerexplosionen zum Opfer fielen, skrupellose Verbrecher waren, steht außer Frage. Doch ihr Tod sollte kein Anlass zur Freude sein, sondern allenfalls zur Erleichterung, da er dazu beitragen könnte, die Nordgrenze Israels sicherer zu machen und die Hisbollah so zu beeindrucken, dass sie sich nicht mehr in der Lage sieht, einen längeren Krieg zu führen.
Ich vermute zudem, dass die Frage von Piatov und Fleischhauer gar nichts mit Israel zu tun hat, sondern eher eine Art Test sein soll, wie weit man eigentlich in den Medien in Richtung Verrohung gehen kann. Fleischhauer berichtet, dass er sich das Video einer Pagerexplosion mehrfach angesehen habe. Dieses Eingeständnis seines Voyeurismus passt nicht schlecht in eine Zeit, in der bild.de Filmchen aus der Perspektive von Drohnen versendet, in denen explodierende russische Panzer gezeigt werden, deren Soldaten gerade verbrennen. Wer dieses Angebot mit der Informationspflicht der Medien verteidigt, könnte mit derselben Begründung auch Enthauptungsvideos in Dauerschleife senden.
Man will gar nicht wissen, welche grüblerischen Fragen sich die verhinderten Philosophen in den Redaktionen als nächstes stellen: „Darf man sich über das Sinken eines Flüchtlingsbootes freuen?“ - Vielleicht ja, es könnten unter den 40 Toten potenzielle Terroristen gewesen sein (by the way: jeder, der dies liest, ist ein potenzieller Terrorist und ein potenzieller Mörder, ein potenzieller Totschläger oder ein potenzieller Ladendieb, allerdings auch ein potenzieller Retter von Katzenbabies und Menschenleben). Hotz, der mit seinem Satz nur ein harmloses Wortspiel erklären wollte, wirkt ein wenig wie ein Relikt aus einer Zeit , in der über die Frage, wie weit die mediale Verrrohung gehen darf, ebenso Einigkeit herrschte, wie darüber, dass die einzige Haltung, die man gegenüber Faschisten einnimmt, das Zeigen der kalten Schulter oder des Mittelfingers ist.