Zu Gil Ofarim und der Meldung von „Bild am Sonntag“, die Leipziger Polizei habe mittlerweile „ernstzunehmende Zweifel“ daran, dass der Vorfall in dem leipziger Hotel sich so abgespielt habe, wie Ofarim ihn dargestellt hat, schrieb am 17.10.2021 Simone Schmollack in der rotgrünen „taz“: Sollte es sich tatsächlich bewahrheiten, dass Ofarim die Vorwürfe erfunden hat, war sein Instagram-Video nicht nur ein fettes Eigentor, sondern vor allem ein Bärendienst im Kampf gegen Antisemitismus, Hetze, Hass. Anders sahen die Sache der „Tagesspiegel“ und sein Autor Hannes Soltau einen Tag später: Ofarim hätte auch dem Kampf gegen den Antisemitismus einen gewaltigen Bärendienst erwiesen. Rechtsaußen ist man ganz anderer Meinung, in der „Jungen Freiheit“ schreibt am selben Tag jemand mit dem passenden Namen Felix Krautkrämer: Zu Gil Ofarim bleibt festzuhalten, sollte sich herausstellen, daß seine Vorwürfe so nicht zutreffen oder sogar erfunden sind, hat er seinem möglichen Anliegen, dem Kampf gegen Antisemitismus, einen Bärendienst erwiesen.
Man könnte nun über diese Artikel hinweggehen und konstatieren, dass Journalismus wenig mit sprachlicher Originalität zu tun habe, aber das Zitat Krautkrämers findet sich unter dem Titel Wird der Fall Gil Ofarim zum Sebnitz 2.0?, der die Richtung vorgibt: In Sebnitz hatte sich seit dem November 2000 der Verdacht, dass ein Sechsjähriger drei Jahre zuvor von rassistischen Jugendlichen ertränkt worden war, nicht bestätigt, er war an einem Herzfehler gestorben. Sebnitz 2.0 bedeutet also: Man kann den Opfern von Antisemitismus und Rassismus nicht glauben, die erfinden doch Geschichten, um sich wichtig zu machen, weswegen Hannes Soltau auch meint betonen zu müssen, dass Deutschland (…) weiterhin (!) ein Antisemitismus-Problem habe (was nebenbei doppelt gequirlter Bullshit ist, das Antisemitismus-Problem haben die in Deutschland lebenden Juden), selbst wenn Ofarims Darstellung nicht zuträfe, was die gar nicht so heimliche Hoffnung erkennen lässt, es werde durch die mögliche "Lüge" eines einzelnen das deutsche Volk noch besser und geläuterter, als es sich eh schon wähnt.
Aber gerade der Hinweis auf Sebnitz zeigt, dass das Gegenteil zutrifft: Zwei Monate zuvor, im September 2000, hatte der NSU mit seinen Morden begonnen und der Polizeijargon von den „Dönermorden“ dokumentierte lange Zeit, dass man den Angehörigen der Opfer, die schon früh auf Nazis als mögliche Täter hinwiesen, nicht glaubte. Bei der Metapher vom „Bärendienst“ finden sich daher alle zusammen, die nichts lieber wollen, als dass Menschen, die als „fremd“ begriffen werden, aufhören zu nörgeln und auf ihren prekären, ungeschützten Status hinzuweisen. Damit einher geht der feste Glauben daran, dass die eigentlichen Opfer wie stets die Deutschen sind, weswegen die völkisch verhetzten Leser der „Jungen Freiheit“ nicht nur einen Gipfel der Geschmacklosigkeit erkennen, sondern auch Verleumdung (…), Rufschädigung, Üble Nachrede, Geschäftsschädigung (…), sogar (…) Volksverhetzung.
Man kann Herrn Ofarim nur dafür danken, dass er das Volk der Nazinachfahren dazu verführt hat, sich einmal mehr zu demaskieren. Darauf einen Bärenfang!