In dem Roman „Groß und Klein“ von Jacques Lederer (2003 bei Rowohlt auf Deutsch erschienen) geht es in einer Szene um den Judenstern, den der kindliche Protagonist zu tragen hat. Er versteht nicht ganz, wie ihm geschieht und schämt sich für das Zeichen, das er tragen muss: „Ein Buch von normalen Ausmaßen hätte nicht genügt, um die Flamme der Schmach zu ersticken, die dieses Stück Stoff auflodern ließ. Wenn man bedenkt, dass sich tatsächlich irgendwo in einem Atelier des Dritten Reiches ein Graphiker gefunden hatte, um dieses Feuer zu entfachen! Die Füße hochgelegt, hatte er auf die Inspiration gewartet. Und das leuchtende Gold hatte er für diesen Schandfleck gewählt.“ (S.12)

Es war nicht „irgendwo“ im Dritten Reich, wo diese Sterne entworfen und produziert wurden, es war das Atelier der berliner Fahnenfabrik Geitel & Co., die 1941 den Auftrag an Land gezogen hatte, eine Million Judensterne zu produzieren. Gut 30000 Reichsmark brachte dieser Auftrag ein und man darf vermuten, dass die namenlosen Graphiker und Textildesigner ahnten, welchem Zweck dieser Stern dienen sollte und dass sie sich damit der Beihilfe zum Mord schuldig machten. Zu fürchten hatten sie nichts: nach dem Ende des Krieges wurden sie, sichtet man die verfügbaren Quellen, nicht strafrechtlich verfolgt, es wurde nicht einmal die Firma, die heute unter anderem Namen weiter existiert, aufgelöst.

Kann man aber ihren Mitarbeitern einen Vorwurf machen, im Nachhinein, in der bequemen Position desjenigen, der nie in der Nazizeit leben oder arbeiten musste, kritisieren, dass sie sich nicht weigerten, an der Herstellung eines Stückes Stoff mitzuwirken, von dem sie gewusst haben müssen, dass es dazu diente, diejenigen öffentlich kenntlich zu machen, die zu ermorden man längst entschlossen war? Wie aber will man das deutsche Menschheitsverbrechen je begreifen, wenn man nicht solche Fragen stellt?

P.S.: Zur sehr deutschen Obszönität gehört aber auch das: „Tragt wieder den Stern. Macht es den Antifa-Faschisten, der Tazi, NS-Zeit Presse, den grünen Kifferkindsoldaten einfach euch in der Menge zu erkennen!!“ (Bernd Jacks, AfD, 2014) bzw. „Freuen Sie sich schon auf den blauen Stern? Wir wissen: Wir werden den Stern wie eine Auszeichnung tragen! Bis zum bitteren Ende “ (AfD Krefeld 2016) bzw. „Wo geht es weiter? Irgendwann müssen wir offen AfD-Abzeichen tragen“ (Kay Gottschalk, AfD, 2018). Usw.

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Iris123

Iris123 bewertete diesen Eintrag 25.11.2019 16:28:21

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