Die Verteidigung des Westens im Sportpalastsound

So bizarr sich einerseits die Verrenkungen ausnehmen, die Putinisten unternehmen, um den Krieg, den der von ihnen verehrte Stümper in der Ukraine führt, zum antinazistischen Befreiungskampf umzudeuten, so befremden andererseits die Bekundungen mancher Unterstützer*innen der Ukraine, in denen dieser Staat zum Verteidiger westlicher Werte gegen die russischen Barbaren mutiert: "Europa muss sich im Kampf gegen die Barbarei an die Seite der Ukraine stellen“, schreibt, zum Beispiel, der Autor der „ruhrbarone“, Stefan Laurin, am 24.4.2025, alles andere sei ein „Signal für Putin und andere Autokraten und Diktatoren, dass sich Eroberungen auszahlen und das Recht keine Rolle mehr spielt.“ Laurin scheint vergessen zu haben, dass die europäische Macht nicht entstehen konnte ohne die gewaltsame Eroberung von ca. 3,5 Kontinenten und die millionenfache Ermordung von Menschen, die als ebenso minderwertig wie rechtlos angesehen wurden. Zwar wird diese Geschichte der Gewalt nicht geleugnet („Europa wurde auf Schlachtfeldern geschaffen und verteidigt, in Plataiai (als die griechischen Sklavenhalter gegen die persischen Sklavenhalter siegten, TS), bei Tours und Poitiers (als die Eroberungen einer auf der arabischen Halbinsel entstandenen Religion gegen Eroberer, die einer anderen auf der arabischen Halbinsel entstandenen Religion anhingen, verteidigt wurden, TS) und in der Normandie (resp. Stalingrad, TS)“), aber verklärt und verkitscht: „Wir müssen uns daran erinnern, dass wir auf den Schultern von Riesen wie Perikles, Kant und Churchill stehen.“ Churchills Großbritannien hätte zwar ohne die USA und die UdSSR kaum etwas gegen die deutschen Barbaren ausrichten können, aber weil Putin irgendwie auch Stalin sein soll oder sein könnte, wird der beim „Kampf um die Freiheit, der nie beendet sein wird“, nicht erwähnt. Diesen Freiheitskampf beschreibt der Autor im nächsten Satz genauer: „Europa kann sich der Steppe unterwerfen oder es nimmt den Kampf um seine Zivilisation auf.“ Ich frage mich, ob der Autor beim Bild der als außereuropäisch gesehenen „Steppe“ sein historisches Vorbild bedacht hat, es findet sich in der Rede, die Goebbels am 18.2.1943 im Berliner Sportpalast hielt: „Der Ansturm der Steppe gegen unseren ehrwürdigen Kontinent ist in diesem Winter mit einer Wucht losgebrochen, die alle menschlichen und geschichtlichen Vorstellungen in den Schatten stellt.“ Mag es nun Schlampigkeit gewesen sein oder ein bewusst gewählter weiterer Schritt auf dem deutschen Weg zur sprachlichen Akzeptanz nazistischer Begriffe, so gibt es doch zwischen Stalin und Putin immer noch einen wichtigen Unterschied: Jener besiegte die deutschen Nazis, dieser fördert sie. Sie freuen sich gewiss, wenn ihre Begriffe in einem Text, der von „Landesverrätern wie die AfD“ spricht, stillschweigend akzeptiert werden.

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