1.) Bist du‘s, Günter? „Das Massaker mag durch die koloniale Situation erklärbar sein, im Gegensatz zu gängigen Behauptungen begann der Krieg nicht am 7.Oktober 2023. (…) Das Hauptziel der israelischen Regierung: den Iran zu einer mehr als symbolischen Reaktion zu zwingen, damit einen Regionalkrieg zu entfesseln und eine direkte Beteiligung der USA herbeizuführen. (…) Mit jeder Zuspitzung an irgendeinem Ort der Welt steigt das Risiko, dass sich die einzelnen Kriege zu einem Weltkrieg verknüpfen.“ Eindeutige Günter-Grass-Vibes prägen diesen Kommentar der „jungen Welt“ zum 7.10. Wie der verstorbene Nobelpreisträger sieht auch Kai Köhler die „Saat des Hasses“, der von Juden ausgeht, in einem Weltkrieg aufgehen. Vom Antiimperialismus bis zum sehr deutschen geopolitischen Denken ist es oft nur ein kleiner Schritt.
2.) Ebenfalls in weltpolitischen Dimensionen denkt dieser Kommentator: „Dieser Hass (…) richtet sich nicht nur gegen Israel, sondern gegen den Westen insgesamt, gegen unsere Art zu leben. Wir sollten Israels Soldatinnen und Soldaten dankbar sein, dass sie auch unsere Freiheit gegen Hamas und Hisbollah verteidigen“, während „der Westen“ es sich nicht nehmen lässt, mit dem Sponsor der beiden, dem Iran, Geschäfte zu machen. Und ich hoffe, eine israelische Soldatin, die in Gaza ihr Leben aufs Spiel setzt, um Geiseln zu befreien, zeigt dem Jan-Philipp Burgard („welt“) bei Gelegenheit den Mittelfinger, wenn er sich wieder entblödet, den Hass auf Juden umzudichten in einen auf den Westen resp. auf „uns“, also auf die Bewohner der Weltgegend, in der der elimatorische Antisemitismus erdacht und praktiziert wurde. Nein, die Soldat*innen der IDF verteidigen nicht „uns“, sondern sich selbst und den Staat, den es nicht gäbe, wenn „unsere“ Großeltern nicht barbarische Antisemiten gewesen wären.
3.) Aber wie soll man sich bei Springer auch an das erinnern, was vor 80 Jahren geschah, wenn schon die Erinnerung an das verblasst, was erst ein paar Monate her ist: „Das politische Berlin“, so Marion Horn, die Chefin von „bild“, sei „durchgedreht“, „wenn besoffene Schnöselgören auf Sylt „Deutschland den Deutschen“ singen“, tue „aber wenig dagegen (…), wenn auf deutschen Straßen zur Vernichtung von Juden aufgerufen“ werde. Letzteres stimmt eher weniger, und zu ersterem wäre zu sagen, dass es die Bild-Zeitung selbst war, die „durchdrehte“ und – völlig zurecht – die Schlagzeile von einem „Nazi-Skandal“ der „Sylt-Schnösel“ brachte. Dass man nun, nicht einmal ein halbes Jahr später, das Brüllen von Slogans der Baseballschlägerjahre verharmlost, passt ins Bild einer Volksgemeinschaft, die sich entschlossen hat, Erfolge der AfD dadurch zu erschweren, dass man ihre Positionen übernimmt.
4.) Und die AfD selbst? Nun, deren Hauspoet Klonovsky bemerkt aus gegebenem Anlass, dass der Völkermord an den Herero und Nama keiner gewesen sei („Aber wenn man eine Entschädigung, wofür auch immer, so auf dem Silbertablett präsentiert bekommt, sagt man nicht Nein“ ) und postet ein Bild von George Soros, auf welchem dieser als „Kapo of the Week“ bezeichnet wird. Genau so muss man sich wohl die Position der Partei zum Antisemitismus vorstellen.