Kaum war bekannt geworden, dass der Verfassungsschutz den „Flügel“, also die offen rechtsextreme Gruppierung in der AfD um Björn Höcke und Andreas Kalbitz, künftig als „Beobachtungsfall“ einstufen werde, forderte die Führung der Partei, diese Fraktion aufzulösen. Dem Wunsch kam Höcke entgegen, nicht ohne in Götz Kubitscheks buntem Ziegenzüchtermagazin zu versprechen, man werde weitermachen wie bisher, nur eben ohne das bisherige Etikett: „Unsere Arbeit weist über den Flügel hinaus, Andreas Kalbitz, ich selbst und alle anderen politikfähigen »Flügler« werden ihren politischen Kurs im Sinne der AfD weiterführen.“ Es wird sich also nichts ändern, aus der parteioffiziellen Gliederung wird, mag sein, eine Chatgruppe, ein Männerbund, eine pressure-group, die aber ihren Einfluss kaum verlieren wird, verortete Alexander Gauland Höcke doch vor kurzem noch in der „Mitte der Partei“.
Es kann also sein, dass die Initiative des Verfassungsschutzes, über die in linksliberalen Kreisen bereits gejubelt wurde, nicht die erhoffte Schwächung der AfD bringen wird, die wir Antifaschist*innen uns erhoffen. Im Gegenteil: In der Zeit nach der Corona- Pandemie, für die man jetzt schon voraussagen kann, dass sie eine schwere Krise mit sich bringen wird, wird es notwendig sein, falsche Antworten auf diejenigen Fragen anzubieten, die sich unweigerlich einstellen werden: Wer verdient eigentlich so gut an einem privatisierten Gesundheitssystem? Warum wird die Arbeit von Frauen, die im Gesundheitssystem oder im Einzelhandel arbeiten, immer schlechter bezahlt? Und warum taugt der Markt, der angeblich alles regelt, nicht dazu, eine Bevölkerung in Krisenzeiten reibungslos zu versorgen?
Nach der Krise 2008, in der auf Kosten der Steuerzahler die Banken gerettet wurden, war es ausgerechnet ein Vorstandsmitglied der Bundesbank, das mit seiner Hetze gegen „Kopftuchmädchen“ der verunsicherten Mittelschicht Halt gab und ein Angebot machte, das diese nicht ablehnen konnte: Die gesellschaftlichen Widersprüche wurden biologisiert und den Krisenverlierern ein „Selbst schuld!“ entgegengehalten. Mit der AfD entstand zudem ein Sammelbecken für all diejenigen, deren Rassismus und Antisemitismus sich in den „etablierten“ Parteien nur verdeckt austoben konnte. Diese Partei steht nun bereit, um ihre ganz eigene Form der Krisenbewältigung anzubieten. Es ist zu erwarten, dass sie nach dem Thüringer Testlauf eine echte Regierungsbeteiligung anstreben wird, auch wenn Höcke im besagten Interview beteuert, die AfD solle kein „Mehrheitsbeschaffer von Merkels Gnaden“ sein. Man wartet demnach die Nach-Merkel-Zeit ab ( Höcke: „Was diese Partei (...) braucht ist: Gelassenheit“ ) und schaut, wer dann so kommt. Falls dies Friedrich Merz sein sollte, sind die Aussichten nicht die besten (https://www.fischundfleisch.com/thomas-schweighaeuser-ex-gotha/merz-und-die-afd-oder-i-love-a-man-in-a-uniform-62523 ).
Der Flügel ist weg, seine Mitglieder noch in der Partei. Diese Braut hat sich scheinbar etwas hübsch gemacht, und es liegt am antifaschistisch orientierten Teil des deutschen Bürgertums, die Hochzeit mit dem Kapital und seinen Parteien zu verhindern.