Natürlich kann man die AfD guten Gewissens verbieten. Eine Partei, die sogar den anderen europäischen Faschisten zu faschistisch ist, obwohl sie dort verzweifelt Anschluss sucht, sollte von weiteren Wahlerfolgen abgehalten werden (und man komme mir nicht mit dem Begriff „Diktatur“: das Verbot von Organisationen, die man verdächtigte, die demokratische Gesellschaft zerstören zu wollen, ist fast so alt wie die BRD selbst). Weil dies aber wohl bis zum September, wenn in drei Ostprovinzen gewählt wird, kaum geschafft werden kann, dachte sich Innenministerin Faeser, SPD, man könne doch eine Zeitschrift aus dem Bereich verbieten, der im ekelhaften Jargon der Partei „Vorfeld“ genannt wird, also das „compact“-Magazin Jürgen Elsässers, der es in den letzten Jahren geschafft hatte, ein durchaus erfolgreiches Medienunternehmen aufzubauen. Auch wenn es Anlässe genug gegeben hätte, diesem Blatt mit seinen antisemitischen, xenophoben und geschichtsrevisionistischen Tendenzen das Leben schwer zu machen, wirkte die ganze Aktion doch recht unvorbereitet. Ein unvorbereiteter Angriff kann aber mehr schaden als nützen, das ist in der antifaschistischen Arbeit nicht anders. Denn nichts hätte dagegen gesprochen, „compact“ noch etwas länger daran arbeiten zu lassen, den Ruf der AfD und ihres Vor- bzw. Umfelds zur Kenntlichkeit zu entstellen. Doch weil taktische Schlauheit nicht zu den wesentlichen Wesenszügen von Sozialdemokrat*innen gehört (wer wüsste das besser als wir radikalen Linken?), machte Faeser den zweiten vor dem ersten Schritt und verbot statt der AfD „compact“.

Abgesehen von den sehr erwartbaren Reaktionen aus der sehr rechten Ecke gab es auch von konservativen Kommentaren Kritik. Eine kam vom Kolumnisten Jan Fleischhauer, der seinen Lebensunterhalt mit der Lüge bestreitet, er sei früher einmal „links“ gewesen (womit er, sic!, eine Tätigkeit für den Spiegel beschreibt) und nun aber aus Einsicht und wg. Altersweisheit konservativ. Im Interview mit dem Fernsehsender „welt“ beklagte Fleischhauer (im Bücherregal hinter ihm erkannte ich die Ausgabe der Werke Wolfgang Pohrts, eines Autors, der das, was Fleischhauer nur zu schreiben versucht (Polemik), auch konnte) die Einschränkung der Meinungsfreiheit usw. und sprach die Erwartung aus, dass dieses Verbot nicht lange Bestand haben werde. Derselbe Autor hatte in derselben Woche in seiner Kolumne im „Focus“ verkündet, dass er bereits mit dem Gedanken gespielt habe, die AfD zu wählen, wenn „die in Berlin“ ihn wieder aufgeregt hätten. Abgesehen davon, dass einer der bekanntesten Journalisten des Landes sich nicht entblödet, die Pose des unbeholfenen Protestwählers einzunehmen, sollte es für Entsetzen sorgen, dass jemand aus dem konservativen Milieu, der wissen sollte, wofür die AfD (mit Höcke im Zentrum, Schnellroda und, ja, Elsässer im „Vorfeld“ ) steht, die Unterstützung dieser Partei durch seine Wählerstimme öffentlich in Erwägung zieht und damit gleichzeitig diejenigen exkulpiert, die dies nicht nur überlegen, sondern auch tun. Genau dieses großzügige Hinwegsehen über den Charakter der Faschisten führte 1933 zu der Koalition, die das konservative Bürgertum mit ihnen einging und Hitler an die Macht brachte. Will man eine Neuauflage verhindern, sind nicht die Elsässer das Problem, sondern die Fleischhauer.

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Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 26.07.2024 19:38:00

Aron Sperber

Aron Sperber bewertete diesen Eintrag 24.07.2024 19:45:42

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