Die Ethnologin und Islamexpertin (wobei es sich um einen der seltenen Fälle handelt, in denen eine Islamexpertin des Arabischen nicht mächtig ist) Susanne Schröter beklagte im „Focus“ am 29.3.24 eine „woke Doppelmoral“: „Ramadan wird gefeiert, Karfreitag bekämpft“. Allerdings geht es nicht darum, den Feiertag selbst abzuschaffen, sondern lediglich um das Tanzverbot, das laizistisch gesonnene Deutsche seit langem bemängeln. Das hält Schröter nicht davon ab, zu kritisieren, dass „Jusos und junge Grüne“ seine Aufhebung fordern, während gleichzeitig eine „Allianz woker Linker und internationaler Islamisten“ „jedwede Islamismuskritik als Islamfeindlichkeit“ denunziere. Beweise für Letzteres bleibt sie schuldig, aber die Beleuchtung von zwei Straßen zum Ramadan sieht sie allemal als Zeichen eines „tiefen Hasses auf das Eigene“ und als „vollkommen unkritische Glorifizierung des Fremden“. Das Fremde ist also der Islam, das Eigene das Christliche. Eine, vorsichtig formuliert, nicht unbedingt aufgeklärte Weltsicht, aber machen wir weiter: Am selben Tag erscheint auf dem Blog „ruhrbarone“ eine wohlwollende Rezension von Schröters neuem Buch („Der neue Kulturkampf: Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht“ ), in der behauptet wird, „Islamisten und die woke Linke“ eine nicht nur der „Hass auf den Westen und die Aufklärung“, sondern auch die Ablehnung jeder Islamkritik. Zwar fehlen ebenfalls die Belege, es geht aber auch hier eher darum, die verheerenden „Einflüsse des woken Denkens“ und das „Streben nach Hegemonie“ der „woken Aktivisten“ dar- resp. bloßzustellen, zum Beispiel, wenn jemand „darauf hinweise, dass es bei Menschen nur zwei Geschlechter“ gebe. Nun entspricht zwar die Behauptung, es gebe gusseisern lediglich zwei Geschlechter, vielleicht nicht ganz dem Geist der Aufklärung, die in Frage stellt, was alle glauben, aber auch das Karfreitagsfest, an dem noch lange dafür gebetet wurde, dass die Juden aus ihrer finsteren Verblendung herausfinden mögen, gilt ja nicht unbedingt als Leuchtfeuer wissenschaftlichen Denkens. Aber selbst darum geht es nicht, wenn man die folgende Zusammenfassung des Rezensenten liest: „Die Ethnologin skizziert eine bunte Szene, deren Angehörige wenig eint außer dem festen Willen, alles, was mit dem Westen, seiner Kultur- und Lebensweise und der Aufklärung zu tun hat, zu denunzieren und zu vernichten.“ Vielleicht eint aber auch den Rezensenten und seine Ethnologin der feste Wille, alles, was ihnen nicht in den Kram passt, als „woke“ zu denunzieren, wofür auch spricht, dass die Nachricht, das Gendern werde „trotz woker Proteste verboten“, bei beiden für Optimismus sorgt.

Vor Jahren stand ich einmal in der Schlange einer Stuttgarter Imbissmetzgerei. Angeboten wurde „Fleischkäse“, ein Gericht, dessen Anblick und Geruch mich von fern an den seit je ungeliebten Leberkäse erinnerte. Was denn da drin sei, fragte ich eine Dame in der Schlange und erhielt als Antwort: „Da isch alles möglische drin.“ So verhält es sich auch mit dem Begriff „woke“, der nichts erklärt, aber zuverlässig anzeigt, was derjenige, der ihn verwendet, ablehnt: Tanzverbote, Gendern, Nachdenken über Geschlechter usw. Ein Begriff aber, der für alles taugt, taugt nichts. Wer noch einigermaßen seine Sinne beisammen hat, wird ihn nicht verwenden.

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Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 05.04.2024 21:40:00

Aron Sperber

Aron Sperber bewertete diesen Eintrag 05.04.2024 16:31:56

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