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Das Praktische am Opportunismus ist, dass er so vorhersehbar ist. Wer seinen Hintern an die Heizung bekommen möchte, muss hin und wieder einige seiner Überzeugungen verabschieden, um sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Und das geschieht oft genug: 1996 hatte die ehemalige Bürgerrechtlerin und damalige Bundestagsabgeordnete Vera – in der DDR hieß sie noch Wollenberger – Lengsfeld keine Bedenken, von den Grünen zur CDU zu wechseln, obwohl ihr 1991 während einer Schweigeperformance auf dem Podium aus den Reihen dieser Fraktion zugerufen worden war, sich „einmal untersuchen zu lassen“. Dass sie zudem ihren Sitz im Parlament, den sie über die Liste der Grünen erlangt hatte, nicht aufgeben wollte, beweist eine rasche Aneignung der professionellen politischen Gepflogenheiten der Bundesrepublik.

Ihr weiteres Engagement in der CDU wurde gekrönt von einem im Wortsinn vollen Körpereinsatz, da sie zwei Fotos, auf denen Angela Merkel und sie recht freie Dekolletés herzeigen, unter die Headline „Wir haben mehr zu bieten“ setzen ließ und damit in den Wahlkampf zog, in dem sie mit dem schlechtesten Ergebnis aller CDU-Direktkandidaten krachend scheiterte. Schon bald aber kündigte sie die Gefolgschaft zu Merkel auf, trat in den innerparteilichen Kreis ihrer Gegner über und 2023 aus der CDU aus. Seitdem darf man darüber spekulieren, wann sie – es wäre die insgesamt 4. Partei (in einer frühen Lebensphase trat sie in die SED ein) in ihrer Politlaufbahn – zur AfD wechselt, in deren neurechtem „Vorfeld“ sie sich seit langem tummelt.

Dabei trat sie als Initiatorin resp. Unterstützerin verschiedener Appelle in Erscheinung, so zum Beispiel bei der „Gemeinsamen Erklärung 2018“ (die sie zusammen mit Michael Klonovsky und Henryk M. Broder vor dem Petitionsausschuss des Bundestages präsentierte)oder beim „Appell für freie Debattenräume“ 2020. Nicht immer aber – und wir kommen zurück zum Thema Opportunismus – nahm es Frau Lengsfeld mit der Meinungsfreiheit allzugenau, wenn sie eigene Positionen kritisiert sah: 1996 veröffentlichten die beiden Autoren Gerhard Henschel und Wiglaf Droste den satirischen Roman „Der Barbier von Bebra“, in dem ein mysteriöser Killer Jagd auf unliebsame Bartträger macht und dabei auch prominente Bürgerrechtler nicht verschont. Dies ist erkennbar gegen die damals ubiquitäre Larmoyanz dieser Kreise geschrieben, erregte aber Lengfelds Zorn so sehr, dass sie nicht nur die Redaktion der taz, in welcher der Roman in Fortsetzungen erschien, persönlich aufsuchte, sondern auch mit dem Briefkopf des Bundestags zum Boykott der Zeitung aufrief, wobei sie sich nicht entblödete, Parallelen zur Shoa zu ziehen. Man kann den Vorgang im autobiographischen „Schelmenroman“ von Gerhard Henschel nachlesen und sich wundern, wie frei von jedem Schamgefühl Lengsfeld agierte.

20 Jahre später unterstützte sie publizistisch einen Prozess, den die katholische Autorin Gabriele Kuby gegen das Stück „Fear“ des Dramatikers Falk Richter führte, in dem Kuby zum „Zombie“ verfremdet wurde, um ihre queerfeindliche Haltung bloßzustellen. Ein nicht erst seit Brecht legitimes dramatisches Verfahren, doch Richter hatte nicht damit gerechnet, dass Kuby den Anwalt Steinhöfel engagierte, der vor Gericht erreichte, dass einige Passagen aus dem Dramentext gestrichen werden mussten. Lengsfeld fand das toll und bestätigte einmal mehr, dass für Rechte das Recht auf eine freie Meinung nur für Rechte gilt. Die passenden Verse zum Wirken dieser Frau aber schrieb F.W. Bernstein: „Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche.“ Und damit weiß man eigentlich alles über Frau L.

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