Shlomo Lewin, 1911 geboren, verlor früh seinen Vater, einen Feldrabbiner, der im 1. Weltkrieg fiel. Er studierte Religionspädagogik und arbeitete als Lehrer, bis er vor den Nazis fliehen musste. In Frankreich arbeitete er ebenfalls als Religionslehrer, wanderte 1938 nach Pälastina aus und kämpfte 10 Jahre später als Soldat für den neuen Staat Israel. Bis 1960 lebte er dort und arbeitete unter anderem als Beamter in einem Ministerium, dann kehrte er nach Deutschland zurück, wurde Verleger und Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg, engagierte sich für den jüdisch-christlichen Dialog und, als rechte Gruppen 1977 einen „Auschwitz-Kongress“ mit dem Holocaust-Leugner Thies Christophersen in Nürnberg, der „Stadt der Reichsparteitage“, planten, antifaschistisch.
Drei Jahre später, am 19.12.1980, wurde er ermordet. Als es abends an seiner Haustür klingelte und er öffnete, schoss ihm sein Mörder in den Körper und tötete ihn und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke anschließend mit gezielten Kopfschüssen. Monatelang ermittelte die nürnberger Polizei im Umfeld der Israelitischen Kultusgemeinde, Medien spekulierten über eine Tat des Mossad und erst eine am Tatort aufgefundene Brille erwies sich als Spur ins neonazistische Milieu. Sie gehörte Franziska Birkmann, der Lebensgefährtin von Karl-Heinz Hoffmann, dem Anführer der erst vor kurzem verbotenen „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Sie sei von Uwe Behrendt entwendet worden, einem Mitglied der Wehrsportgruppe, der im September 1981 im Libanon Selbstmord begangen hatte. In einem anschließenden Prozess wurde festgestellt, dass Behrendt als Einzeltäter gehandelt habe, Hoffmann allerdings wegen verschiedener anderer Delikte zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt, aus der er nach 6 Jahren auf Bewährung entlassen wurde. Unmittelbar nach seiner Freilassung wies er, als der „Spiegel“ ihn interviewte, mit einem zynischen Vergleich noch einmal jede Beteiligung am Doppelmord von sich: „Schauen Sie, wenn ein Angehöriger der Rheinarmee mit seinem Panzer Amok fährt, geht doch auch niemand zu Prinz Charles und macht ihm Vorwürfe.“ Auch auf den Hinweis, dass Gundolf Köhler, der Attentäter vom Münchner Oktoberfest, mit der Wehrsportgruppe in Kontakt stand, reagierte Hoffmann auf seine Weise: „Warum geht denn niemand zu dem Kommandeur der Bundeswehr, wo der Herr Köhler in der Zeit vor dem Attentat tatsächlich seinen Dienst gemacht hat? So sieht es doch aus.“
Hoffmann, der zur Zeit des Attentats im fränkischen Schloss Ermreuth, das in der Nazizeit als Gauführerschule genutzt wurde, residierte, zog nach der „Wende“ nach Kahla um, betrieb dort eine Gaststätte, in die auch Ralf Wohlleben aus dem Umfeld des NSU einkehrte, und kaufte das Rittergut Sahlis, das dem antisemitischen Dichter Börries von Münchhausen gehört hatte. Bis heute hat er engen Kontakt zu Nazikreisen.
In Erlangen erinnert lediglich der Name einer Grünanlage, in der man grillen kann und in der eine „mobile Toilette“ aufgestellt ist, an Shlomo Lewin und Frida Poeschke. Hinweise auf die Umstände ihres Todes fehlen allerdings.
Postscriptum: Die polizeilichen Ermittlungen, bei denen viel Zeit dadurch verloren wurde, dass man Nazis als Täter ausschloss, erinnern fatal an die „Pannen“ (ich setze den Begriff in Anführungszeichen, denn für eine Panne kann man nichts) bei den Ermittlungen zum „Nationalsozialistischen Untergrund“. Auch damals suchte man nach den Tätern zuerst im Umfeld der Opfer.