it‘s not coming home. Ein Epitaph für den deutschen Profifußball

Wovon zuerst reden, womit anfangen von all dem, was jetzt vielleicht aufhören wird, jetzt, da die Pandemie den Betrieb zum Erliegen gebracht hat, jetzt, da man erstaunt feststellt, dass es auch ohne ihn geht, den Profifußball?

Von den Vereinen? Vom verlogenen „Branchenführer“ und Serienmeister aus München, der sich eine Führungsriege mit einem bemerkenswerten Hang zu Vorstrafen hielt, bevor ein ehemaliger Torwart den Laden übernommen hat, der sich nicht zu schade ist, Werbung für eine maltesische Wettklitsche zu betreiben? Ein Verein, der außerdem nichts dabei findet, seine Trainingslager regelmäßig in Katar abzuhalten, einem Emirat, das im Verdacht steht, mit seinem märchenhaften Reichtum islamistischen Terror zu finanzieren? Von seinem schärfsten Konkurrenten, einer Aktiengesellschaft aus dem Ruhrgebiet, die mit dem Slogan „Echte Liebe“ sentimentale Gemüter ködert und aus deren Anhängerschaft sich die Kader einer Nazipartei rekrutierten, die den Einzug in den Stadtrat schaffte? Vom anderen „Traditionsverein“ aus dem Ruhrgebiet, dessen Aufsichtsratsvorsitzender, ein Fleischfabrikant aus Westfalen, nach einem rassistischen Ausfall sich einen dreimonatigen Urlaub verordnete, um danach seine Amtsgeschäfte ungerührt weiterzuführen? Vom „Newcomer“ aus Leipzig, der Filiale eines Limonadenkonzerns, der in seiner österreichischen Medienabteilung auch deutsche Faschisten zum Talk einlädt? Vom anderen „Newcomer“ aus der baden-württembergischen Provinz, finanziert von einem steinreichen Unternehmer, der sich, als er von gegnerischen Fans beleidigt wurde, der massiven Unterstützung aus Liga und Verband gewiss sein durfte, also von Institutionen, die jahrzehntelang rassistische, antisemitische und homophobe Hetze in den Stadien achselzuckend zur Kenntnis nahmen? Von der „Werksmannschaft“ eines Konzerns, dessen Vorgänger die „IG Auschwitz“ betrieb, von einer anderen Werksmannschaft aus der „Stadt des KdF-Wagens“?

Wem ginge irgendetwas verloren, wenn diese Vereine kein Spiel mehr gewännen? Oder wenn sie keinen Meister mehr unter sich ausspielten, der dann, weil der Teufel DFL stets auf den größten Haufen macht, durch einen dicken Batzen an „Fernsehgeldern“ mit noch besser bezahlten Spielern in den sportlichen „Wettbewerb“ gehen würde, ganz abgesehen von der Teilnahme an der Gelddruckmaschine „Champions League“?

Und wer vermisste die „Experten“ und Fachjournalisten, deren servile Hofberichterstattung in Dauerschleife, den zähen, tausendfach breitgetretenen Quark, das heuchlerische Ranschmeißen an die Mächtigen des Betriebs? Man nehme nur eine Sendung des sonntäglichen 2-Stunden-Quatsches „Doppelpass“ von Anfang März, als sich die Herren Helmer und Basler zu Beschützern des Milliardärs Hopp aufschwangen und von der zu großen Macht der Ultras schwadronierten, während sie keinen Deut Scham darüber äußerten, in der Bayernmannschaft gestanden zu haben, deren Fans 1997 türkische Anhänger durch das Zeigen von Aldi-Tüten demütigen wollten.

Und wem sind die Fernsehsender, die das „Produkt“ gewordene Spektakel teuer an Menschen verkaufen, die mit ihrem Leben nichts Besseres anzufangen wissen, als möglichst viel an Fußball wegzugucken, nicht längst herzlich egal, Fernsehsender übrigens, die lieber heute als morgen – scheiß auf die Gesundheit der Spieler – triste „Geisterspiele“ übertragen möchten, damit niemand merkt, als wie verzichtbar der Fußball in seiner jetzigen Ausprägung sich erwiesen hat? Denn warum sollte man gerade bei einem „Spiel“ Entspannung von den Zumutungen des Kapitalismus suchen, das seine brutalen Gesetze reproduziert?

Und warum wird eigentlich staatlicherseits ein Arbeitsmarkt geduldet, dessen schwule Mitarbeiter nicht riskieren dürfen, sich zu outen, ganz zu schweigen von den grotesk unterschiedlichen Gehältern für Männer und Frauen?

Kurzum: Die Pause hat dem Fußball nicht gutgetan. Man kann auch ohne. Und ich weiß, wovon ich rede.

(Bis dann, kaum ist die Pandemie vorbei, alle wieder ins Stadion rennen und vorm „Fernseh“ (Henscheid) kleben.)

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