Deutschland ist ein seltsames Land: Seine Bimmelbahnen heißen „RegionalExpress“, der Schlagersänger Bohlen lässt sich als „Pop-Titan“ feiern, Nazi-Terroristen nennen sich „Heimatschutz“ und das Riechen am eigenen Mief wird zur „Gemütlichkeit“ verklärt. So verwundert es weder, dass ein Spartenmagazin, welches sich dem Kampf gegen „Islamisierung“ verschrieben hat, den weltmännischen Titel „Bahamas“ gewählt hat, noch dass die dort Schreibenden sich „Antideutsche“ nennen, obwohl ihnen nichts so sehr am Herzen liegt wie der gute Ruf des Vaterlandes und seiner Bewohner, es sei denn, es handelt sich dabei um Muslime.
Denn nichts lesen die Deutschen so gerne wie gute Nachrichten über sich selbst und nachgerade ins Entzücken geraten sie, wenn man sie als Anhänger eines obskuren „Staatsantifaschismus“ bezeichnet, oder Muslime, gegen die Ressentiments zu hegen seit 9/11 ja kein Verbrechen mehr sein kann, als Urheber eines „importierten Antisemitismus“ entlarvt, der ihnen gleichsam als Teil ihrer Identität anhafte, während die deutschen Väter und Großväter, kaum hatten sie von ihren Händen das Blut von Auschwitz abgewaschen, diesen Antisemitismus nach 1945 in Windeseile abzulegen in der Lage waren.
Aber weil dieses Ressentiment längst schon in den Mainstream gewandert ist, bleibt das Spartenmagazin ein Spartenmagazin und niemand muss sich mehr durchs schlechte Deutsch der „Bahamas“ quälen, wenn er sich auch durch die barrierefreie Lektüre von Bild.de in dem bestätigt fühlen kann, was in ihm empfindet.
Die Verzweiflung, welche die Erkenntnis der eigenen Überflüssigkeit erzeugt, treibt immer seltsamere und, man muss es leider sagen, ekelhaftere Blüten. In der aktuellen Ausgabe nimmt sich eine aus dem Raum Kassel stammende Nachwuchskraft namens J. Dörge die im Juli 2021 verstorbene Esther Bejarano vor, die dem Tod in Auschwitz entronnen war. Verknüpft wird dies mit einer Art Rezension ihrer 2019 erschienenen „Erinnerungen“. Frau Bejarano zog nach dem Ende des 2. Weltkriegs nach Israel und von Israel wieder nach Deutschland. Mit der Politik beider Länder war sie nicht immer einverstanden und machte das auch öffentlich. Na und?, mag man nun fragen, aber Dörge stößt sich an Bejaranos Kritik an Israel. Und während in der Tat die Nachfahren der Mörder sich für die nächsten tausend Jahre jeglicher „Israelkritik“ enthalten sollten, wirkt es obszön, wenn ein Schreiber aus dem Volk der Täter eine Frau belehren will, die seinen Vorfahren nur mit Glück entkam, und diese Hassattacke auch noch mit dem Zwischentitel „Keine Lehren aus Auschwitz“ verziert. Zeigt sich hier, nur ins Moralische gewendet, die alte deutsche Großmannssucht, oder ist es mehr eine Art Strebertum, das im unermüdlichen Einsatz gegen Antizionismus auch vor Auschwitzüberlebenden nicht Halt macht und diese genussvoll maßregelt? Oder handelt es sich um eine besonders bizarre Spielart des in der Schuldabwehr sich zeigenden deutschen Antisemitismus, der sich von anderer Seite aus in genau der Israel-Kritik äußert, als deren „Kronzeugin“ der Dörge Bejarano ausgemacht haben will? Der ostentative Kampf gegen den Antizionismus hätte demnach einzig den Zweck, eine moralisch erhöhte Position zu besetzen, von der aus man um so bequemer gegen missliebige Juden – mögen sie Bejarano oder Fried oder auch, wegen dessen Kritik an der AfD, Josef Schuster heißen – argumentieren kann. „Ich lass mich doch in meinem Kampf gegen Antisemitismus nicht von einem Juden belehren“ – es ist diese Haltung eine der vielen Zumutungen, die das Leben unter deutschen Zeitgenossen so schwer erträglich machen. Da hätte es das lustvolle Nachtreten gegen Holocaust-Überlebende, wie es der Bahamas-Schreiber exerziert, gar nicht mehr gebraucht.