Noch einmal Martenstein, Welt am Sonntag 15.9.24, diesmal geht er ins Freibad: „In der Schlange standen etliche Frauen und Mädchen mit Hidschab. Leute wie mein Sohn und ich waren in der Schlange selten. Das Gefühl, fremd zu sein, kennen viele Migranten. Es ist aber, glaube ich, etwas anderes, dieses Gefühl in einem Land zu spüren, in dem man aufgewachsen ist und sich auszukennen glaubte. Ich hatte mit dem Gefühl, ein Fremder zu sein, jedenfalls nie ein Problem, bis ich es in Deutschland hatte.“ Kaum tauchen Menschen mit Kopftuch in der Schlange vor der Freibadkasse auf, fühlt sich der Kolumnist als Opfer einer obskuren Überfremdung und denkt sich seins: „„Schwimmbäder, das ist jetzt auch zu Ende“, denke ich mir“.

Am Sonntag wird in Brandenburg gewählt, der Spitzenkandidat der Faschisten, ein Herr Berndt, bekommt einen Artikel im Faschistenblättchen „Sezession“ spendiert: „Spitzenkandidat Berndt nimmt den Faden auf: Der AfD gehört die Zukunft, denn die Jugend wählt rechts. Das ist einerseits überraschend, denn die Jugend wird wie kein zweiter Bevölkerungsteil ununterbrochen indoktriniert. Andererseits liegt es nahe: Diese Altersgruppe spürt die Veränderungen im Land am deutlichsten – im Klassenverband, im Freibad, abends auf der Straße.“ Da sind sie wieder, die Freibäder als Hotspot der Überfremdung, gegen die sich die Jugend wehrt, indem sie AfD wählt. Das freut auch die Sezession: „Die AfD versteht sich aus diesem Grund als Volkspartei. Sie will Deutschland als Land der Deutschen erhalten, sie tritt dem woken Wahnsinn von Masseneinwanderung, Transformation und Umerziehung entgegen.“ Nach der modischen Dummvokabel „woke“ geht es ans Eingemachte: Mit der „Umerziehung“ spielt der Text auf die Versuche der Alliierten an, die deutschen Barbaren nach ihrer Niederlage zu zivilisierten Menschen zu machen. Nicht immer erfolgreich, wie der Fall des Spitzenkandidaten Berndt zeigt: „Von seinem bürgerschaftlichen Engagement rührt die starke Affinität Berndts zu dem her, was manche das Vorfeld nennen. (…) Daher läßt sich Berndt ebenso gern in Schnellroda blicken, redet bei Pegida oder fährt noch am Abend des Verbotstages zur Demonstration vor dem Redaktionsgebäude von Compact.“ Dieser Mensch wird also aller Voraussicht nach die meisten Wählerstimmen in Brandenburg erhalten, ein Mensch, der sich bei Kubitschek „blicken lässt“ und für die Meinungsfreiheit eines Elsässer ebenso auf die Straße geht wie gegen Unterkünfte für Geflüchtete: „Ganz konkret ging es um ein Flüchtlingsheim in seinem Wohnort. Für ihn, wie viel andere, war das ein weiterer Beleg dafür, daß der Regierung die Interessen der Deutschen egal seien.“ Denn die Interessen der Deutschen sind diejenigen von Martenstein und Berndt: möglichst keine Hidschabs sehen müssen, vor allem nicht im Freibad.

Diese kleine Serie endet hier, fürs erste zumindest. Vielleicht wird sie nach den Wahlen in Brandenburg fortgeführt.

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