Vor wenigen Tagen hat das Robert-Koch-Institut eine Studie veröffentlicht, in welcher dargestellt wird, dass die Lebenserwartung armer Menschen durchschnittlich 3,5 Jahre (Männer) resp. 2,2 Jahre (Frauen) kürzer ist als bei Menschen, die im Wohlstand leben.
Fast am selben Tag, aber ohne sich auf diese Veröffentlichung zu beziehen, machte sich der Chefredakteur der „Welt“, Ulf Poschardt, seine Gedanken über die fehlende „Arbeitsmoral“ der Deutschen und beklagte den „Hängerhedonismus“ und ein „faules Anspruchsdenken“, „wir“, so konstatierte er, „brauchen für viele die Rente mit 70“ „anstelle von noch mehr Bürgergeld“. Wer diese „vielen“ und wer „wir“ sind, verriet er, vielleicht, hinter der Bezahlschranke (die ich nicht löste, ich brauche das Geld fürs Alter), man darf aber vermuten, dass er (Jahrgang 1967) seinen Job (mit dem Porsche in die Redaktion fahren und jeden Tag eine neue Variation von „Eure Armut kotzt mich an“ zu schreiben) noch lange wird erledigen können, ganz anders als diejenigen seiner Altersgenossen, die er um 3,5 Jahre überleben wird, weil sie, auch bedingt durch krankmachende Arbeitsverhältnisse, früher sterben. Und so wäre die Rente mit 70 nichts anderes als ein gewaltiger Diebstahl an den Beitragszahlern, die nie etwas von ihr sehen würden.
1998 prägte der Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, im Zusammenhang mit der „Gesundheitsreform“ genannten Verschlechterung der medizinischen Versorgung durch die Regierung Schröder, den Begriff „sozialverträgliches Frühableben“. Die Rente mit 70 bedeutet nichts anderes. Karsten Vilmar, Jahrgang 1930, hat immer noch genügend Zeit, seine Altersbezüge genießen. Er ist halt so pfiffig, nicht arm zu sein.
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