Schnöselnazis oder ein Seitenblick auf die Klassengesellschaft

Auch wenn Springer bereits wieder zurückrudert und Ulf Poschardt auf welt.de von „antifaschistischem Furor“ und einem „Pranger-Exzess“ raunt, als wäre das Zeigen des Hitlergrußes keine anzeigepflichtige Straftat, beweist gerade ein Kommentar der „Bild“-Zeitung, warum der Auftritt der „Schnöselnazis“ so fatal und mehr als eine Randnotiz im Mediumgebrumm ist: Es „rackerten“ sich doch, so stellt der Autor Celal Çakar fest, „Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte“ täglich ab, in der Hoffnung, „eines Tages“ den „sozialen Aufstieg“ zu schaffen.

Und denen haben die Sylter rich kids in der Tat in aller Deutlichkeit den Stinkefinger gezeigt: Für diejenigen, die mit Arbeit versuchen, zu Wohlstand zu gelangen, haben sie nichts als Verachtung übrig und bezeichnen als Platzhirsche, deren Glück bereits gemacht war, als sie von den richtigen Eltern in die Welt gesetzt wurden, ein „Deutschland“ als ihnen gehörend, das mit seinen gesamten gesellschaftlichen Institutionen dafür eingerichtet wurde, ihren sozialen Status zu zementieren. Das wissen sie und das feiern sie, ahnen aber allenfalls dumpf, dass der zweite Teil ihres Wunsches („Ausländer raus“ ) dazu führen würde, dass so manche ihrer bevorzugten locations aufgrund eines Mangels an – legalen wie illegalen – Mitarbeiter*innen nur noch eingeschränkte Öffnungszeiten hätte.

Diese Mischung aus gusseisernem Standesbewusstsein und sich selbst feiernder Dummheit könnte ein Grund dafür sein, dass „Bild“ sich in einem vergleichsweise heftigen „antifaschistischen Furor“ zur Fomulierung „Schnöselnazis“ hinreißen ließ. Ein anderer könnte sein, dass dieses Video deutlich vor Augen führt, dass es sich bei denjenigen, die den Faschismus favorisieren, nicht nur um abgehängte Existenzen oder gar „Protestwähler“ handelt, sondern um Gestalten aus der „Mitte der Gesellschaft“, genauer: um Profiteure der Klassengesellschaft, die eindrucksvoll demonstrieren, dass der Faschismus auch nichts anderes ist als eine bürgerliche Herrschaftsform (was man übrigens schon lange hätte wissen können, hätte man zur Kenntnis genommen, was man schon lange weiß).

Das große mediale Echo auf die Sangeskünste stramm rechter Jungdeutscher hat auch nichts damit zu tun, dass man, wie rechte Verschwörungsexperten erzählen, staatlicherseits von der angeblich drohenden „Islamisierung“ ablenken will, sondern vielmehr damit, dass die Scheußlichkeiten der hiesigen Klassengesellschaft, zu deren Kennzeichen gehört, dass auf Schützenfesten und Schlagermoves das Gescherr längst so klingt wie der Herr, offenbart werden.

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Christian Lue/unsplash https://unsplash.com/de/fotos/eine-grosse-gruppe-von-menschen-die-schilder-hochhalten-FnatU7twEAw

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