Bei der Mobilisierung gegen diejenigen Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, herrscht traditionell eine Allparteienkoalition in Deutschland: Helmut Kohl diagnostizierte, das Land sei ein „kollektiver Freizeitpark“, Gerhard Schröder behauptete, es gebe „kein Recht auf Faulheit“ und Guido Westerwelle erkannte sogar eine „spätrömische Dekadenz“ und entwickelte damit ein Untergangsszenario, das sich trotz schönster Versprechungen („Deutschland schafft sich ab“ ) einfach nicht einstellen will. Dass mit der AfD auch noch eine rassistische Komponente in den Hass auf die Armen integriert wird, versteht sich im Prozess der Faschisierung, den wir derzeit erleben, von selbst. Über die Kampagne gegen das Bürgergeld, die „Faulenzer“ bestrafen will, aber meistens Alleinerziehende und Aufstocker trifft, berichtet Helena Steinhaus in den „Blättern“ (https://www.blaetter.de/ausgabe/2024/september/feindbild-sozialschmarotzer-die-demontage-des-buergergelds).
Das eigentliche Problem mit den „Sozialschmarotzern“ ist allerdings nicht, dass es von ihnen zu viele gibt, sondern dass sie zu wenige sind. Eine Untersuchung der Universität Jena brachte ans Licht, dass es eine hohe Dunkelziffer von Menschen gibt, die ihre Ansprüche auf Grundsicherung nicht wahrnehmen (man schätzt bis zu 40% bei den Arbeitssuchenden und bis zu 60% bei den Rentnern, https://www.eah-jena.de/hochschule/nachricht/neue-studie-zur-nichtinanspruchnahme-von-grundsicherungsleistungen-in-thueringen-und-deutschland). Nach Berechnungen des ifo-Instituts spare „der Staat zwischen sechs und zehn Milliarden Euro pro Jahr, weil Berechtigte ihnen zustehende Leistungen nicht in Anspruch nehmen“, schmarotzt also bei denjenigen, die er öffentlich als Schmarotzer diffamiert (https://de.wikipedia.org/wiki/Grundsicherung). Man kann alle Anspruchsberechtigten nur dazu ermutigen, sich das, was ihnen zusteht, auch zu holen. Am Hass, der ihnen aus den rechten Medien ebenso entgegenschlägt wie von wildgewordenen Trollen, können sie eh nichts ändern. Keine falsche Scham.