„In Deutschland leben, heißt knietief durch Kot waten“, schrieb der heute vor einem Jahr verstorbene Dichter Wiglaf Droste, und so hoch können die Gummistiefel gar nicht sein, dass man nichts von dem mitbekommt, was die Bewohner dieses Landes so treiben.
Und während sie derzeit auf den Straßen und Plätzen für ihre Überzeugung demonstrieren, dass eine Krankheit von dunklen Mächten erfunden wurde, während Politiker und Medienfuzzis öffentlich darüber nachdenken, ob man nicht die Alten und Kranken ein bisschen eher sterben lassen sollte, weil ein halbes Lebensjahr dieser überflüssigen Menschen nicht so viel zähle wie die Geschäfte der Reichen und Gesunden, während die größte Zeitung des Landes über Lockdown-Öffnungen jubelt, als käme das ganze Land aus einer mehrjährigen Haft („Endlich shoppen!“, „Endlich wieder Bundesliga“ usw., bis es dann heißt: „Endlich wieder Tote“), werden vergangene Ekelhaftigkeiten nur zögerlich aufgedeckt, so eine Karnevalsfeier von Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung, die als Ersatz stattfand, weil eine größere Feier wegen des rassistischen Massakers von Hanau abgesagt worden war. Während draußen die Fahnen auf Halbmast hingen, wackelten drinnen die Wände, grölte man das anheimelnde heimische Liedgut vom Pferd, das auf dem Flur stehe oder von der Karawane, die weiterziehe, feierte und soff man, weil es fürs Feiern und Saufen feste Termine gibt in Deutschland und man diese sich, nur weil Bewohner dieses Landes, die in der Ideologie des Attentäters kein Recht zu leben hatten, ermordet wurden, einfach nicht entgehen lassen will.
Aber warum sollte es bei den privaten Feiern, die so privat nicht abliefen, dass die Nachbarn keinen Grund die Polizei zu rufen gehabt hätten, bleiben? Am Tag nach der Mordnacht von Hanau imitierte man durch das öffentliche „Stürmen“ der Rathäuser jene Revolution, die man hierzulande nie hinbekommen wird, jenen Aufstand gegen die Etablierten und Arrivierten, der mehr wäre als eine konformistische Rebellion. Nein, hier brüllt man eher, dass man dabei sei, dass es prima sei, dass man „das Leben, die Liebe und die Lust“ liebe, „an den lieben Gott“ glaube und „auch immer Durst“ habe, und wie all diese zombiehaften Bekenntnisse auch lauten mögen, die den Hinterbliebenen in den Ohren geklungen haben müssen, als habe das Pack, das sich Mehrheitsgesellschaft schimpft, nichts anderes für ihre Trauer übrig als Hohn.
Aber gibt es nicht doch das bessere Deutschland? Ach was: „Was es gibt, sind die Deutschen und ein paar Menschen, die auch in dieser Gegend wohnen.“ (Hermann L. Gremliza)