Es ist wunderschön sich wieder Literatur zu beschäftigen. Einige Leser auf meinem Blog haben auch damit begonnen und beschäftigen sich mit dem Steppenwolf, dem Demian oder anderen Bücher von H. Hesse. Und schreiben mir, wie es ihnen damit geht, was sich in ihnen verändert und wie schwer es ist. Aber auch, wie sehr sie es wieder lieben.
Ich persönlich mag vor allem den Gedanken, wieder zu einem Leser zu werden. Mich mit Worten zu beschäftigen, die mich berühren. Die Träume aufbauen, von Gefühlen erzählen und dabei an mein Innerstes rühren.
Aber es ist so unglaublich schwer, denn die Vorstellung davon ist schöner als das Lesen selbst.
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Der Gedanke an dunkle Herbsttage. Ich sitze in einem einsamen Zimmer, der Nebel steigt aus den Tälern und die ganze Welt schweigt. Ein alter Stuhl, vor mir eine Kanne Tee und überall sind Bücher. An den Wänden, in den Regalen, sogar am Boden liegen sie in umgefallenen Stapeln. Und ich lehne mich zurück und lese.
Doch obwohl das so schwer ist, merke ich, wie mich das Lesen wieder gefangen nimmt. Wie es meine Gedanken beansprucht und versucht, mir in die Seele zu greifen.
Ich bekomme Sehnsucht, den nächsten Schritt zu tun. Wieder ein Mensch zu werden, der abseits steht. Abseits des alltäglichen Hamsterrades, abseits von Nachrichten, Verwertbarkeit und der Jagd nach Erfolg und Unterhaltung.
Beim Sinnieren über den „Steppenwolf“ ist mir ein altes Spiel eingefallen. Für mich war es mehr als das, aber um es zu erklären, muss ich ein wenig ausholen. Um euch dann anschließend einzuladen, es auch einmal zu versuchen.
Erinnert ihr euch an den Schluss des Steppenwolfs? Wie Harry Haller im magischen Theater stand und sich zwischen den vielen Türen entscheiden musste?
Eine jede war ein Symbol für eine andere Geschichte. Begebenheiten aus seiner Jugend, Erlebnisse, die er sich wünschte, Möglichkeiten, die er hatte und nie ergriff. Und alle konnte er in der „Phantasie“ erschaffen und noch einmal erleben.
Das, was H. Hesse hier beschrieb, praktizierten Gelehrte schon vor Jahrhunderten. Und es deckt sich mit dem, was Gehirnforscher heute in ihren Untersuchungen zeigen.
Für den menschlichen Geist sind Fantasien ebenso real wie wirkliche Erlebnisse. Wenn wir die Augen schließen und uns gedanklich in eine Situation begeben, sie intensiv mit allen Sinnen „durchleben“, dann macht das für unser Gehirn und unseren Körper kaum einen Unterschied zur Realität.
Es gibt genügend Beispiele für diese Effekte und im Sport und in verschiedenen Therapieformen werden sie heute ausgiebig genutzt.
Wieso ich das alles erzähle? Nun, weil man diese Art des „magischen Theaters“ auch benutzen kann, um mit den Werken unserer Kultur zu „spielen“. Man kann es dazu verwenden, in die Kunstwerke einzutauchen und sie intensiv nachzuerleben.
Einen zweiten Versuch dieser Art beschrieb Hermann Hesse Jahre später im „Glasperlenspiel“. Die Ordensmitglieder der „pädagogischen Provinz“ Kastalien versuchen, die Werke unserer Kultur zu bewahren.
Das hauptsächliche Werkzeug dafür ist das Glasperlenspiel, eine geistige Verbindung von Literatur, Musik und allen anderen Arten von Wissenschaften, an die man sich mit Hilfe von Zeichen erinnert. Die man in sich auferstehen lässt, miteinander in Beziehung setzt und im Lauf des Spiels in sich „durchlebt“.
Dieser Gedanke Hesses ist seit Jahrzehnten befruchtend für Menschen auf der ganzen Welt.
Bevor ich zu dem System komme, das ich für mich erfand, lasst uns noch einen kleinen Umweg beschreiten.
Vor langer Zeit wurde eine Methode erfunden, mit der man sich an verschiedene Dinge erinnern kann. Nicht nur an so einfache wie bestimmte Begriffe oder Jahreszahlen, sondern an alles in seinem Leben, das man bewahren will.
Die Technik nennt sich Gedächtnispalast und ist wahrscheinlich vielen dem Namen nach bekannt. Dabei wird in der Phantasie ein Palast erbaut, den man mit den Dingen füllt, die einem etwas bedeuten. In den Regalen, auf Statuen oder auf den Tischen liegen die Bücher oder einfach nur Notizen an die man sich erinnern will.
Wenn man eine Erinnerung sucht, dann begibt man sich in seiner Vorstellung in den Palast, geht an den Ort, an dem man sie abgelegt hat und holt sie wieder hervor.
Und jetzt will ich endlich zu dem kommen, was ich früher für mich erfand. Eine Methode, um mich in andere Seinszustände zu versetzen, in andere Gedanken und Gefühle einzutauchen.
Denn damit würde ich gerne wieder beginnen. Und vielleicht habt ihr auch Interesse daran.
Und am besten starten wir mit H. Hesse. Stellt euch ein Zimmer vor und richtet es ein. Hängt ein paar Bilder an die Wand, vielleicht den Regenmacher oder eines in dem Hesse Erde brennt. Verteilt Gegenstände, die ihr mit ihm verbindet und vor allem die Bücher, die ihr von ihm gelesen habt.
Jetzt nehmt euch etwas ungestörte Zeit, schließt die Augen und betretet das Zimmer.
Stellt euch vor, wie ihr hineingeht, die Bilder anseht, die Brise riecht, die durch das Fenster streicht und die Gardinen bauscht. Versucht zu fühlen, in euch hinein zu lauschen und alles aufzunehmen. Den Geruch, die Farben und die Emotionen, die sie in euch auslösen. Und dann nehmt eines seiner Bücher zur Hand.
Versucht, euch nicht nur an die Geschichte zu erinnern, sondern sie nachzuerleben und eure Gefühle wieder auferstehen zu lassen.
Lasst ein Bild erstehen und seid mit allen Sinnen dabei. Probiert euren Geist aufzuspalten. Seid in dem Zimmer, seid Leser des Buches und gleichzeitig eine Figur aus dem Buch. Erlebt die Erzählung.
Versucht, für ein paar Minuten in dem Raum und in dem Buch zu sein und in ihnen zu leben.
Ist das nicht wunderschön? Es ist vielleicht seltsam. Es klingt vielleicht albern oder gar lächerlich.
Aber, ist es nicht wunderschön?
Und das könnt ihr mit allem machen, was euch wichtig ist.
Ein Zimmer für Schubert, für Monet oder Rodin. Denn von Mal zu Mal wird es euch leichter fallen und ihr werdet mehr Genuss und Gewinn aus den Kunstwerken ziehen, als ihr euch heute vorstellen könnt.