Ich muss immer lächeln, wenn ich die jungen Burschen sehe, wie sie rumstolzieren, sich aufplustern und Lärm machen, nur damit endlich einmal ein Mädchen zu ihnen rübersieht.
Und manchmal denke ich, dass es erst gestern war, dass ich denselben Tanz aufführte, ungeschickt und voller Freude.
Dabei ist es schon so lange her, dass ich kaum noch weiß, wie es sich angefühlt hat.
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Vielleicht sollte ich deshalb traurig sein und mich wieder in diesem Spiel versuchen.
Doch wenn ich mir die Erwachsenen ansehe, wie sie sich spreizen und ihrer verlorenen Jugend nachlaufen, dann überfällt mich Überdruss und Ekel.
Denn ich sehe keine Sehnsucht, keine Hoffnung oder Liebe, sondern nur Angst und Verzweiflung über ein verpasstes Leben.
Und auch deshalb habe ich schon vor langer Zeit beschlossen, bei diesem Zirkus nicht mehr mitzumachen.
Natürlich macht mich das einsam. Einsam in einer Zeit, in der alle nur noch von romantischer Liebe träumen und einem Leben voller Leidenschaft und Frühlingsduft.
Aber mir war das egal, lieber wollte ich alleine sein und frei, als bis an mein Lebensende bei diesem Affentheater mitzuspielen.
Irgendwann bin ich auf einen Band von Inge Merkel gestoßen, in dem sie ähnliche Gedanken aufgriff und daraus eine Geschichte webte.
Eine Erzählung, so wahrhaftig und nah am Leben, dass es fast wehtut, sie zu lesen.
Auch sie erzählt von Leidenschaft, von Liebe und Verlangen, aber sie geht weit darüber hinaus. Denn sie weiß, dass das nur ein winzig kleiner Teil des Lebens ist, und erst danach etwas kommt, was man vielleicht Liebe nennen kann.
Und sie spricht von der Ehe als „einer Beziehung, in welcher Mann und Frau … vor allem gemeinsam und unter Einsatz ihrer geschlechtsbedingten Andersartigkeit, Rücken an Rücken, sich dem Dasein stellen, der Übermächtigkeit der Welt… Jeder der beiden bringt seine spezifischen Anlagen zur Bewältigung dieses Daseins ins Spiel, und zusammen haben sie eine Chance, sich in der Brandung des Übermächtigen einigermaßen zu halten“
Heute erscheint das vielen banal. Sie sehnen sich nach der einen, großen Liebe, die ihr Leben verändern soll, die alles heilen wird und in der es Leidenschaft und Romantik gibt bis an ihr Lebensende.
Aber das ist nur ein Abbild einer im Grunde armseligen Kultur.
Denn Mann und Frau sind viel zu verschieden, als dass das jemals gelingen könnte.
Immer kommt nach einer kurzen Zeit der Leidenschaft die Ernüchterung, eine Zeit der tiefen Verletzung und der Fremde. Weniger aus Mangel an Liebe als vielmehr, weil sich hier zwei fremde Welten treffen.
Natürlich könnte das auch befruchtend sein, heilsam und erfüllend für beide Partner, doch diesen Schritt wagt heute kaum noch jemand.
Viel lieber sprechen wir von Individualität und Gleichberechtigung und meinen damit doch nur ein Angleichen von Mann und Frau.
Doch diese Gleichartigkeit werden wir niemals finden und je mehr wir darum kämpfen, desto mehr werden wir verlieren.
Wenn ich die Menschen in meinem Leben betrachte, dann erscheint mir die Ehe wie die Folterkammer des 21. Jhdt.
Denn anstatt den anderen als einen im Grunde fremden Menschen zu begreifen, der uns einen Teil seines Lebens schenkt, versucht jeder den Partner nach seinem inneren Bild zu formen.
Und vergiftet dadurch nicht nur seine Ehe, sondern auch den Menschen, den er liebt.
Inge Merkel spricht von einem anderen Weg.
Sie weiß um die Ebenbürtigkeit von Mann und Frau, sie zeigt, dass Penelope dem Odysseus leicht das Wasser reichen kann und genauso klug und listig ist wie er. Sie zeigt aber auch, dass für sie als Frau andere Dinge zählen als für einen Mann.
Denn Odysseus drängt es hinaus in die Welt, vor Troja, weil „Männer fort von zu Hause müssen“, denn „das ist kein ordentliches Mannsbild, das nicht weg will für eine Weile von Frau und Kind und Haus und Hof“.
Heute wird das oft als Flucht gesehen, als ein Betrug an wirklich tiefer Liebe.
Dabei ist das einfach ein uralter Trieb des Mannes, dieses sich beweisen müssen in einer Welt von Gleichgesinnten, um zu sehen, wer der Stärkere ist.
Eine Frau wird das niemals ganz verstehen. Eine Frau kann das vielleicht auch niemals verstehen. Zu verschieden sind die beiden Welten.
Doch welcher Mann entscheidet sich heute noch für diesen Weg? Welcher Mann hat den Mut und die Kraft sich aufzubäumen gegen die engen Grenzen unserer Zeit?
Und welche Frau würde das zulassen, ohne sich von ihm abzuwenden?
Noch an Odysseus Sterbebett stellt Penelope die Frage, durch die sich heute alle Männer unterjochen lassen.
„Hast Du mich denn jemals geliebt?“
Odysseus weicht der Antwort aus und versucht zu scherzen: „Weißt du! Es war gut reden mit dir . . . trotz deines Mundwerks . . . und das mit dem Ruder war dein Meisterstück. . . langweilig war’s nie mit dir“.
Vielleicht wollte er endlich Ruhe. Vielleicht hatte er es einfach satt sich als Mann immer und immer wieder erklären zu müssen.
Denn jeder versteht Penelope, aber wer versteht schon die Art der Liebe des Odysseus?
Die Liebe eines Mannes ist etwas vollständig Anderes, als wir heute glauben. Nicht dieses jugendliche Gespreize, dieses unreife Verhalten, das wir aus den Medien kennen. Und auch nicht diese Romantik, die die meisten Frauen immer und immer wieder einfordern, um damit ihre innere Leere zu füllen und ihre eigene Unsicherheit zu verbergen.
Doch Odysseus ist dem allen nur noch müde und spricht die von Penelope so heiß ersehnten Worte nicht mehr aus.
Einmal sieht sie noch in seinen Augen einen Funken seiner ehemaligen Durchtriebenheit und hört ihn sagen: „Was willst du denn noch? Bohr nicht!“.
Dann stirbt er. Und Penelope bleibt allein zurück.
Vielleicht stimmt es und Odysseus konnte wirklich nicht lieben. Vielleicht war er nur der listenreiche Held vor Troja, aber mit gelähmter Zunge dort, wo es wirklich wichtig war.
Vielleicht aber war er auch einfach nur müde. Müde immer und immer wieder Beweise seiner Liebe bringen zu müssen.
Ohne je Verständnis dafür zu bekommen, dass seine Liebe, die Liebe eines Mannes, von anderer Art ist.
Und er Penelope deshalb gar nicht das geben kann, was sie sich wünscht.
Trotzdem endet das Buch versöhnlich.
Weil beide sich über den Graben, der sie trennte, die Hand reichten und ein Stück des Weges gemeinsam gingen. Etwas weniger einsam als zuvor, etwas aufrechter und mutiger, in einem tiefen Bewusstsein um ihre Andersartigkeit.
Und das ist mehr, als man sich als Mensch erhoffen kann.
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