Ein Großteil der Bücher, die sich mit der Zukunft beschäftigen, ist im besten Fall kurios. Egal ob Jules Verne über einen Ballonflug zum Mond räsoniert oder Isaac Asimov von einer Welt voller Roboter spricht.
Obwohl zweiteres heute fast von der Wirklichkeit eingeholt wurde, wenn auch auf eine Art und Weise, die sich Asimov nicht einmal in seinen schlimmsten Alpträumen ausmalen konnte.
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Doch ansonsten haben Zukunftsromane nach einigen Jahrzehnten immer einen Zug ins Lächerliche.
Doch abseits dieser Abenteuergeschichten gibt es auch Erzählungen, die nicht in bunte Welten zielen, sondern sich mit den Auswirkungen bestimmter gesellschaftlicher Entscheidungen beschäftigen und die uns einen Spiegel vorhalten, der uns und unsere Welt viel ehrlicher zeigen, als uns lieb ist.
Eines der beklemmendsten ist Fahrenheit 451.
„Es war eine Lust, Feuer zu legen. Es war eine eigene Lust, zu sehen, wie etwas verzehrt wurde, wie es schwarz und zu etwas anderem wurde.“
Es war eine Lust, Bücher zu verbrennen.
Heute scheint das Medium Buch ein Anachronismus zu sein, denn längst erhalten wir die großen Erzählungen unserer Kultur auf anderen Wegen. Über das Fernsehen, den Computer oder über das Smartphone, an dem jeder von uns hängt wie ein Junkie an der Spritze.
Aber durch sie bekommen wir nur noch leere, seelenlose Bilder, die unser Innerstes nicht berühren. Und wir bekommen nur mehr Bruchstücke von Bruchstücken, aber keine zusammenhängende Geschichte mehr, die uns die Welt erklären könnte.
Und dadurch führen wir ein Leben ohne Halt, das uns einsamer macht, als es je eine Generation vor uns war.
„Es heißt, ich sei ungesellig. In Wirklichkeit bin ich höchst gesellig. Es kommt nur darauf an, was man unter Geselligkeit versteht. Mich mit ihnen zu unterhalten rechne ich zum Beispiel zur Geselligkeit. Oder darüber, wie seltsam die Welt ist. Es ist hübsch mit Leuten zusammen zu sein.“
Sie klapperte mit ein paar Kastanien, die sie vor dem Haus aufgehoben hatte.
„Aber eine Anzahl Leute zusammentrommeln und sie dann nicht reden lassen, das kann man doch nicht Geselligkeit nennen. Eine Fernsehstunde, eine Stunde Korbball oder Schlagball oder Wettlaufen, eine Stunde Diktat oder Bildermalen, und dann wieder Turnen. Aber wissen sie, wir kommen nie dazu, Fragen zu stellen. … Bis der Tag zu Ende ist sind wir so erledigt, dass uns nichts anderes übrig bleibt, als zu Bett zu gehen oder auf einen Rummelplatz, um Leute zu belästigen, Fenster einzuwerfen oder mit der großen Stahlkugel Autos zu zerstören.“
Doch Lesen ist weit mehr als eine veraltete Technik. Das Buch an sich ist das wunderbarste Hilfsmittel zur Entfaltung unserer Geisteskraft und zur Entfesselung unserer tiefsten Emotionen.
Und dadurch verändert es uns als Mensch.
Und auf lange Sicht die Welt, in der wir leben.
Genau so, wie die neuen Medien.
„Alle, die ich kenne, ziehen lärmend und tanzend herum oder liefern sich Schlägereien. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, wie gewalttätig die Leute heutzutage sind?“
Denn unsere Kultur, all das was wir an unserer Welt lieben, die Art sie zu sehen und in ihr als Mensch zu sein, fußt für uns auf dem Buch.
Und wir sollten nicht zulassen, dass es verloren geht. Denn die Konsequenzen werden dramatischer sein, als wir es uns vorstellen können.
R. Bradbury zeigt uns eine Gesellschaft, in der das Buch seine Stimme verloren hat. Nicht weil es verboten wurde, nicht, weil es nichts mehr zu sagen hätte, sondern weil die Menschen nicht mehr fähig sind, es zu hören.
Und so verstummen auch sie.
„Wissen Sie was? Die Leute reden über gar nichts.“
„Über irgendetwas werden sie doch reden.“
„Nein, über gar nichts. Sie erwähnen meist nur irgendwelche Automarken oder Kleider oder Schwimmbäder und sagen, einfach toll! Aber alle sagen dasselbe, niemand fällt je etwas anderes ein.“
Es entstehen Menschen ohne Geschichte. Seelenlose Menschen, ohne Wissbegier und Freude, die weder wissen, woher sie kommen noch wohin sie gehen.
Abgeschnitten von ihrer Vergangenheit und blind für die Zukunft leben sie einem ewigen Jetzt. Eingeklemmt zwischen Bildschirmen, gefangen in fremden Welten, die lauter sind als ihre eigene Stimme.
Bradburys Buch ist keine Utopie, sondern eine beklemmende Möglichkeit, die heute Gestalt annimmt.
Eine Erzählung, die uns aufrütteln sollte.
„Was uns not tut, ist nicht in Ruhe gelassen zu werden. Was uns not tut, ist von Zeit zu Zeit richtig aufgestört zu werden. Wie lange ist es her, seit du richtig verstört warst? Aus einem triftigen Grund, einem wirklichen Grund?“