Über Doktor Roland, den Kometen Tschuri und den europäischen Götterfunken.
Das mit den Töchtern in der Bundeshymne klappt schon recht gut. Ich hab das unlängst bei einer Sponsionsfeier ausprobiert. Ob die anderen wie die Alten nur von Söhnen gesungen haben oder auch schon die neumodische Fassung, weiß ich leider nicht: das hat die Akustik im Festsaal der Hauptuni geschluckt. Wie – glücklicherweise – gleich die gesamte Europahymne, die dort traditionsbewusst nach dem „Gaudeamus igitur“ in lateinischer Sprache gesungen wurde. Wobei es ja eher ein Gesumme war. Denn, das wurde mir im feierlichen Rahmen verkleideter Rektoren und der zusammengekommenen Verwandtschaft bewusst: Keine Sau kennt die Europahymne. Natürlich, mitzubrummen, das schaffen die meisten noch irgendwie. Die Melodie des letzten Satzes von Beethovens neunter Sinfonie ist beim Hören jedem bekannt. Aber den Text? Keine Chance! Schuldbewusst und beschämt habe ich ein sinnentleertes „Juventute, absolute, sententia“ in mich hineingelallt. Und musste mich auch noch beherrschen, nicht lauthals in Kurt Sowinetz' herrlich-misanthrope Version von Schillers „Freude, schöner Götterfunken“ einzustimmen. Wie sollen wir das mit dem gemeinsamen Europa in unseren Schädeln hinbekommen, wenn nicht einmal auf der Uni jemand die Europahymne intus hat? Wenn uns die Melodie maximal daran erinnert, dass uns alle Menschen zuwider sind? Und ich mich selbst da nicht einmal ausnehmen kann! Ich! war! entsetzt! Zumindest ein klein wenig.
Ein paar Stunden später habe ich dann Professor Google besucht und über die Europahymne und über ihren mir unbekannten lateinischen Text ausgefragt. Und siehe da! Die Europahymne war ursprünglich als Instrumental gedacht. Um kein Land und keine Sprache zu bevorzugen, hatten sich die Altvorderen bewusst gegen einen Text und für einen Hymus in Instrumentalfassung entschieden. Die lateinische Version stammt ausgerechnet aus der Feder von Doktor Roland. Ja, der mit der Maturaschule ist in sich gegangen und hat Europa zu Wort gebracht:
Est Europa nunc unita
et unita maneat;
una in diversitate
pacem mundi augeat.
Semper regant in Europa
fides et iustitia
et libertas populorum
in maiore patria.
Cives, floreat Europa,
opus magnum vocat vos.
Stellae signa sunt in caelo aureae,
quae iungant nos.
Die Übersetzung kann sich ohnehin jeder selbst googlen. Vielleicht sollten wir Doktor Roland bitten, dem Hymnus noch eine weitere Strophe zuzugedenken. Zumal sich Rosetta und Philae so vorzüglich in eine lateinische Strophe aufnehmen ließen. Daran musste ich jedenfalls ein paar Tage später beim Lesen eines Facebook-Postings des Fotojournalisten Manfred Klimek denken, welches ich hier mit dessen ausdrücklicher Erlaubnis wiederholen möchte:
„Ein Staubkorn im Weltall, das sich noch dazu schnell bewegt, wird von der Erde aus, aus 500 Millionen Kilometer Entfernung (zu Beginn der Mission waren ein ein paar Millionen mehr) anvisiert und getroffen. Eine Mission, die vor 10 Jahren begonnen wurde, hat mit einer Technik, die 18-20 Jahre alt ist, ihr Ziel erreicht und an einen Kometen angedockt. Das nur, um die Relevanz des Ereignis zu betonen. Und dass es europäische Raumfahrt, ein gesamteuropäisches Projekt ist. Mir fehlen genau heute die Reden der Staatschefs Europas, die auf diese Leistung der Union hinweisen..“
Ich weiß zwar nicht, ob ich wirklich Werner Faymann beim Reden über Rosetta und Tschuri zuhören möchte. Aber gemeinsam besingen könnten wir das Gemeinsame allemal. Denn was, wenn nicht der europäische Götterfunk war es, der uns weit ins All hinaus gebracht und extraterrestrische Klänge aufs Erdenrund heimgeholt hat. Da können wir durchaus ein wenig #stolzdrauf sein.
Links:
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[1] https://www.youtube.com/watch?v=Bylj_hZPv-8
[2] http://www.latein.ch/sprache/texte/neulatein/
[3] http://www.youtube.com/watch?v=oDjbbkGVT4Q
[4] http://www.roland.at/ueber-uns/europahymne/
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Rosetta_(Sonde)
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Philae_(Sonde)
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Tschurjumow-Gerassimenko
[8] https://soundcloud.com/esaops/a-singing-comet
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