Alle Jahre wieder wählen die Branchenblätter die „Journalisten des Jahres". Gedacht als kleines Korrektiv: meine persönlichen 5 Journalisten des Jahres. Keine/r davon ist herausragend innovativ, Star-Aufdecker ist auch keiner dabei. Stattdessen: Kollegen*, die hervorragende Arbeit leisten, die dennoch kaum einmal gewürdigt wird.
Anne-Catherine Simon
Bereits seit ein paar Jahren begeistert die frankophile Kulturredakteurin der „Presse" durch differenzierte und mitunter auch bibelfeste Beiträge. Debatten der französischen Intelligenzija übersetzt sie – belesen, aber nie belehrend – für deutschsprachige Leser auch dann, wenn diese nicht von Michel Houellebecq losgetreten werden. Inzest-Tabus, Gulag-Gedenkkultur oder eine Abhandlung darüber wie Youtube und die ständige Verfügbarkeit von Videodokumenten unsere Erinnerungskultur verändert – diese Frau schreckt vor keinem Thema zurück. Feuilleton vom Feinsten wie es das sonst in Österreich kaum einmal gibt!
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Gerhard Stöger
In einer besseren Welt hätte es Gerhard Stöger spätestens 2013, bei Erscheinen des von ihm initiierten Wälzers „Wien.Pop" zum Kulturjournalisten des Jahres geschafft. Immerhin arbeitet der gebürtige Kärntner darin mit Gleichgesinnten die Geschichte der österreichischen Popmusik auf. Fast alle am Leben Gebliebenen kommen in dem Standardwerk zu Wort. Stichwort: Oral History. Die reaktionäre Geringschätzung der Populärkultur, aber auch die Ignoranz gegenüber zeitgenössischem Pop sorgen allerdings dafür, dass als Kulturjournalismus weiterhin nur das durchgeht, was sich am Klassikkanon, an Kulturpolitik oder am hochkulturellen Bühnengeschehen abarbeitet. Stöger scheint das egal. In der Stadtzeitung Falter ist er längst eine Institution. Vollkommen uneitel und auf die Sache fokussiert begleitet und kommentiert er dort – seit Jahrzehnten bald – das Popgeschehen vor allem subkultureller Prägung. Die österreichische Szene ist ihm dabei ein besonderes Anliegen. Wahrscheinlich gibt es keinen besseren Kenner zumindest des Gitarrenuniversums als den 40-jährigen Ottakringer. Dass er sich selbst mitunter als Fan der von ihm beschriebenen Musiker outet, ändert nichts an seinem kritischen Zugang. Seine Interviews sind immer lesenswert. Die Begeisterungsfähigkeit ist ihm geblieben. Dass sich auch bei ihm der Grant und die Mieselsucht der alten über Pop schreibenden Herren breit macht, ist schwer vorstellbar.
Katharina Seiser
Obwohl an Jahren noch jung ist die Food-Journalistin und Kulinarik-Bloggerin längst eine alte Häsin in ihrem Metier. Kaum jemand schreibt so hingebungsvoll und mit spürbarer Neugier über das, was gegessen wird und über die, die es produzieren. Wer's nicht glaubt, überzeuge sich auf Katharina Seisers Blog www.esskultur.at. Der Genuss steht dabei zwar im Vordergrund, durch ihr Interesse an Landwirtschaft, das Lebensmittelhandwerk und alte Sorten und Rassen vermittelt sie jedoch stets auch, dass Essen immer auch ein politischer Akt ist. Bio ist deshalb oberstes Gebot. Das Missionarische ist ihr – zum Glück – nicht ganz fremd, und mit dem #tierfreitag hat sie auf Twitter eine Initiative gestartet, die zum achtsamen Umgang mit Nutztieren aufruft und auf den bewussten Genuss von tierischen Produkten abzielt. Ihre Kochbücher – „Österreich vegetarisch" etwa – kann man blind kaufen. Demnächst erscheint im Brandstätter Verlag der nächste potenzielle Bestseller: „Immer schon vegan".
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Saskia Jungnikl
Zurecht wurde Saskia Jungnikl bereits für jenen ursprünglich in der Wochenendbeilage des „Standard" erschienen Text ausgezeichnet, den sie im vergangenen Jahr zum Buch umgearbeitet hat. Die Geschichte über den für alle Angehörigen überraschenden Freitod ihres Vaters und den Umgang ihrer Familie damit, lässt niemanden kalt. Auch nicht in der bei Fischer verlegten Langform „Papa hat sich erschossen". Mit der behutsamen Enttabuisierung des schwierigen Themas Suizid hilft sie vermutlich nicht nur vielen Gefährdeten, sondern auch Angehörigen, Hinterbliebenen und erleichtert zudem die Arbeit von Präventionseinrichtungen. Respekt gebührt der gebürtigen Burgenländerin auch für den nächsten mutigen Schritt: Sich vom fixen Standard-Job zu verabschieden, mit ihrem Verlobten nach Hamburg zu gehen und dort – ohne Netz und Fixum – einen journalistischen Neustart zu wagen.
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Andreas Schindler
Auch wenn er sich selbst nicht als Journalist sieht, gilt seine Leidenschaft doch der journalistischen Arbeit und er verspürt einen Drang, aufzuklären. Sein Thema ist ein schwieriges und ziemlich komplex. Dass er damit das verhältnismäßig junge FM4-Publikum behelligt, macht die Sache nicht eben einfacher. Landwirtschaft, Permakultur und Biodiversität sind schließlich keine Themen, die man einem Jugendkultursender zuvorderst zuordnen würde. Eigentlich dem Technik-Staff des ORF-Senders zugehörig bloggt er unter http://fm4.orf.at/andreasschindler über Regenwurm-Scheiße, sture Störe, Monsanto oder die Vermaisung der Welt. Fundierte, kritischere Berichte über Landwirtschaft wird man in Österreich sonst kaum wo finden.
Folgen Sie diesem Mann auf Twitter: @Schindl_A
* Der Transparenz halber: Ja, bis auf Anne-Catherine Simon sind mir alle Genannten persönlich bekannt. Darüber hinaus gibt es keinerlei Naheverhältnisse.
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