oder: Protokoll einer Vorbesprechung zur Eröffnung einer Ausstellung „mit Unterstützung der Ö Botschaft in Minsk“, aufgezeichnet am Donnerstag, 3. September 2020, 10:00-12:00 Uhr

Botschafterin Aloisia Wörgetter beehrte am Mittwoch, 2. September die Organisatoren der Ausstellung „Light and Music“ im National Center for Contemporary Art (NCCA) mit ihrem Besuch. So würde es wohl das diplomatische Protokoll festhalten. Der folgende, völlig undiplomatische Bericht über diese Begegnung kann als Lehrstück dienen, was Diplomatie ist und warum in der Politik nichts weiter geht.

thurnhofer.cc Das Museum NCCA in Minsk

Eine Stunde (10:30 bis 11:30) beschäftigte die Botschafterin – als höchste Vertreterin der Republik Österreich in Belarus - drei Mitarbeiter des Museums vom Direktor abwärts, dazu meine Kuratorenkollegin und mich mit ihren Interventionen. Ich schlug vor, das Gespräch auf Englisch zu führen, sie bat mich jedoch ihre auf Deutsch vorgetragenen Aussagen auf Russisch zu übersetzen, was ich als höflicher Mensch zunächst akzeptiert habe.

Seit der Präsidentschafts-Wahl am 9. August ist Belarus im Aufruhr. Das Volk ist in Aufbruchstimmung, die Staatsmacht wehrt sich gegen das Volk und es ist nicht vorhersehbar, was heute oder morgen passieren wird. So haben die Studenten des Landes den Semester-Beginn 1. September für Demonstrationen mit den typischen weiß-rot-weißen Oppositions-Flaggen genutzt. Der symbolträchtige „Boulevard der Unabhängigkeit“ (Prospekt Nezavisimosti), wo sich auch das NCCA befindet, ist natürlich beliebter Schauplatz der Kundgebungen. So auch am Dienstag 1. September, als Kuratoren und Museumsmitarbeiter am Aufbau der Ausstellung arbeiteten. Außerdem haben wir am Dienstag erfahren, dass die Kuratorin Olga K Künstler zu einer friedlichen Kundgebung vor dem Museum aufgerufen hat. Nicht zufällig zum Zeitpunkt der geplanten Eröffnung unserer Ausstellung am Donnerstag, 3.9. um 17:30 Uhr.

thurnhofer.cc Kuratorin der Ausstellung Lena Tsahelskaya

Die Botschafterin nahm diesen Event zum Anlass zu erklären, sie könne nicht im Museum an einer Eröffnung teilnehmen wenn vor dem Museum Künstler demonstrieren (Implikation: und ausgesperrt werden). Vorgeschichte: Es war nach vorhergehender Interventionen der Botschafterin vereinbart, dass (aufgrund der in Österreich geforderten Corona-Maßnahmen) die Teilnehmerzahl für die Eröffnung auf 100 beschränkt werde. Das NCCA erwartet bei ähnlichen Eröffnungen 200 – 300 Besucher. Die Botschafterin erklärte, sie wolle die 30 Einladungen, das Kontingent der Botschaft, das sie angeblich zu spät erhalten habe und deshalb nicht versenden konnte, an die Demonstranten verteilen.

Museumsdirektor Sergei K antwortete spontan darauf, er könne nicht zulassen, dass Provokationen im Museum passierten. Hintergrund: wenige Tage zuvor wurden der Direktor und die Mitarbeiter eines Theaters entlassen, weil er Protestkundgebungen in seinem Haus zugelassen hat.

Somit stand nun die Forderung nach Dialog gegen die Vermeidung von Provokation. An der Stelle erklärte ich, dass ich es ablehne als Dolmetscher, der in seiner Funktion neutral sein muss, zu fungieren, weil ich eine Postion als Kurator einnehme. Diese Position hab ich umgehend artikuliert: ich muss darauf hinweisen, dass hier im Museum dank der laufenden Ausstellung bereits ein Dialog stattfindet. Ein Dialog zwischen A ustria und B elarus, ein Dialog verschiedener künstlerischer und politischer Positionen. Der Dialog findet nicht nur auf der Straße statt, auch die Künstler der Ausstellung stehen dem Regime kritisch gegenüber.

Die Botschafterin sagte darauf, sie könne nicht als Organisatorin dieser Ausstellung auftreten, wo es zu Verhaftungen von Demonstranten kommen könnte. Dies könne in internationalen Medien ein schlechtes Licht auf Österreich werfen. Ich wies die Botschafterin umgehend darauf hin, dass die Ö Botschaft diese Ausstellung nicht organisiert habe, sondern lediglich unterstütze. So steht es auch in allen Ankündigung: „mit Unterstützung der Ö Botschaft“. Für die Organisation ist allein das Museum mit den beiden Kuratoren zuständig.

Weiterhin standen zwei rein spekulative Annahmen im Raum: OMON (Spezialeinheiten der Polizei) könnten Demonstranten – wie derzeit täglich – willkürlich auf der Straße vor dem Museum verhaften und Österreich würde diesen in der laufenden Ausstellung keinen Schutz gewähren. Die zweite, rein spekulative Annahme, dass es sich bei der angesagten Demo um eine gezielte Provokation handle.

Meine Bewertung: Annahme 1 ist falsch, weil das NCCA kein Territorium Österreichs ist, egal welche Ausstellung dort läuft. Die Annahme 2 ist falsch, weil „Provokation“ als Begriff für eine friedliche Kundgebung, lediglich eine Deutung des OMON ist und kein Faktum. Faktum ist, dass alle Teilnehmer der Ausstellung „Light and Music“ die Demokratiebewegung unterstützen und deshalb auch die friedliche Kundgebung befürworten (eine Künstlerin der Ausstellung, Zoja, nimmt sogar daran teil). Nach genauerer Recherche hat die Vizedirektorin des Museums sogar ein Dokument der Organisation Olga K gefunden, indem sie den geplanten friedlichen Ablauf der Kundgebung detailliert offenlegt.

In der Diskussion dieser beiden spekulativen Annahmen, die natürlich im Sand verlaufen musste, fand die Botschafterin die nächste originelle Wendung: sie sei auch für die Sicherheit des österreichischen Kurators, also meiner Wenigkeit, verantwortlich. Sie wollte deshalb vom Direktor des Museums wissen, welche Sicherheitsgarantien er für mich geben könne. Ich konterte umgehend (auf Deutsch, was die nun bereits anwesende Dolmetscherin nicht übersetzte): Sergej K ist Direktor des Museums und nicht Vorsitzender der Miliz dieses Bezirks. Von ihm Sicherheitsgarantien zu verlangen ist absurd. Und ich verwehre mich dagegen, als Vorwand für ihre Entscheidungen benutzt zu werden.

Der Direktor erklärte, er selbst sei bereit mit den Demonstranten zu sprechen. Im Museum habe es noch nie Probleme gegeben. Die Botschafterin lenkte ein, diese Erklärung würde ihr reichen und bestärkte ihre Position, sie könne unter den gegebenen Umständen nicht an der Eröffnung teilnehmen, denn die Reputation Österreichs wäre sonst gefährdet (vorbehaltlich Rücksprache mit dem Ö Außenministerium). Somit fällt auch das Furshet aus (die Botschafterin hatte vorher die Bereitstellung von österreichischem Wein zur Eröffnung zugesagt).

Ich war froh, dass dieses „Gespräch“ – seit Juli die letzte von zahlreichen völlig überflüssigen Interventionen der Botschafterin vorbei war. Völlig überflüssig, weil keine einzige Intervention daran orientiert war, wie die Botschaft die Ausstellung unterstützen könne, sondern einzig und allein darauf ausgerichtet war, wie die Botschafterin persönlich diese Veranstaltung nutzen könne, um sich selbst zu profilieren.

Abgesehen vom Transport der Bilder durch den Botschaftskurier hat die Botschafterin absolut nichts zur Förderung der Ausstellung beigetragen, die Ausstellung nicht im geringsten „unterstützt“, sondern nur gebremst, die Qualität der Ausstellung ohne Detailkenntnis in Frage gestellt, später die Auswahl sogar hintertrieben mit der Absicht, uns unbekannte Werke zum Thema 2. Weltkrieg in der Ausstellung unterzubringen.

thurnhofer.cc Musik und Licht - Austellung im NCCA Minsk

Die Reputation Österreichs

beginnt nicht damit, dass nun im Gleichklang mit der EU die Demokratiebewegung unterstützt wird. Die österreichische Reputation beginnt damit, dass Sebastian Kurz am 12. März 2018 eine seiner ersten Auslandsreisen als Kanzler nach Minsk unternommen hat. Das war Wörgetters Schachzug AB. Ihr nächster Zug BA fand am 12. November 2019 statt, mit dem Staatsbesuch von Präsident Lukaschenko bei Kurz (informell) und Van der Bellen (offiziell) in Wien. Wörgetter, Botschafterin Österreichs in Belarus seit 2018, konnte sich über die Schlagzeilen freuen. So berichtete die Deutsche Welle am 11. November 2019 über „Lukaschenkos Durchbruch im Westen. Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko besiegelt mit seinem Besuch in Österreich das Ende seiner langen Isolationszeit in Westeuropa.“ Der Standard berichtete am nächsten Tag: „Lukaschenko sprach in einer gemeinsamen Pressekonferenz [mit Präsident Van der Bellen] davon, dass Österreich ein "äußerst wichtiger und zuverlässiger Partner" sei.“ Nun aber ist die Botschafterin im Revolutionsfieber und hat offenbar vergessen, dass sie noch vor wenigen Monaten den belarussischen Präsidenten hofiert hat.

Die Polonaise war der bevorzugte Schritt auf diplomatischen Empfängen im 19. Jahrhundert. Der Eiertanz ist offenbar der einzige Schritt, den Diplomaten im 21. Jahrhundert beherrschen. So nervt die Botschafterin seit der Wahl, die der Präsident wie immer seit 25 Jahren für sich entschieden hat, obwohl das Volk gegen ihn entschieden hat, die Leitung des Museums über die Modalitäten ihres Auftritts bei der Eröffnung. Aufgrund ihrer Interventionen wurde die Teilnehmerzahl limtiert, die Maskenpflicht verordnet und - zum Schaden aller Künstler - das Fernsehen, weil staatlich und pfui, nicht eingeladen. Anfang voriger Woche wurde sogar die offizielle Eröffnung abgesagt, und erst Ende der Woche wieder aufs Tapet gebracht. Anstelle ihrer persönlichen Grußworte wollte sie ein Videobotschaft zur Eröffnung abspielen lassen und quasi inoffiziell nach der Eröffung zum „Dialog“ mit den Künstlern erscheinen. Solche Dialoge könnte sie zu jeder Tages- und Nachtzeit in jedem Cafe und bei jeder Demo führen. Warum tut sie das nicht?

Am gleichen Abend, hat mich die Botschafterin zu einem privaten Essen eingeladen, in ihre Residenz. Wörgetter spielte Privatperson und ich spielte mit. Nach vier Stunden war Zeit zum Aufbruch und ich bat sie noch um eine Auskunft darüber, was denn nun genau die Unterstützung der Botschaft bei der von Elena und mir kuratierten Ausstellung sei. Sie verwies darauf, dass die Botschaft den Transport der Bilder übernommen habe. Und außerdem habe sie mir einen „Reisekostenzuschuss“ von 1.000 Euro zugesagt. Diesen Betrag könne sie mir voraussichtlich am Freitag auszahlen. (Im Juli hat sie mir diesen Betrag in einem Telefonat zugesagt mit der Randbemerkung, sie werde „schauen was noch möglich sei“. Das war offensichtlich ein leeres Versprechen möglicher Weise sogar eine gezielte Täuschung; damals habe ich ihr in einem Telefonat gesagt, ich könne auch auf die Unterstützung der Botschaft verzichten.) Ich fragte konkret, ob sie nicht nur für die von ihr geplanten Konzerte im Rahmen der Ausstellung, sondern auch für die interkulturellen Leistung von zwei Kuratoren eine Subvention bewilligen könne. Darauf antwortete sie, man habe ihr gesagt, es handle sich um eine kommerzielle Ausstellung, denn „das Museum will mit der Ausstellung den Verkauf von Eintrittskarten ankurbeln.“ Für kommerzielle Projekte gebe es keine Unterstützung und überhaupt hätten „wir“ (das bedeutet aus der Position der Botschafterin: der Staat Österreich) eine Ausstellung „in der Form“ nie durchgeführt.

In der gepflegten Sprache der Diplomatie nennt man das wohl „Affront“.

Nachsatz, Donnerstag, 3. September 2020, 24:00 Uhr. Affront am Rande: die Botschafterin hat in einer sonderbaren Rundmail am Mittwoch „5 Mitarbeiter des Museums“ zu einem Botschafts-Empfang nach der Eröffnung eingeladen. Diesen Empfang hat sie en passant beim Abschied unseres privaten Gesprächs erwähnt mit der saloppen Formulierung, ich und Elena seien auch willkommen. Ich hab mich höflich bedankt aber nicht zugesagt, weil mir nach dem „privaten Abend“ klar war, dass ich diese Dame nicht mehr treffen wollte.

Pointe des Abends: Umgehend nach dem Ende der Ausstellungseröffung erhielt ich die Einladung jener Künstlergruppe, die die Demo vor dem Museum organisiert hat, zur „Vecerinka“ im Atelier von Zoja, die an beiden Veranstaltungen teilgenommen hat. Den Dialog, um den Wörgetter einen lächerlichen Eiertanz aufgeführt hat, konnte ich dort in einer spannenden Runde mit Künstlern, Juristen (Ex-Omon), Unternehmern und einer Medizinerin in emotional aufgeladener Stimmung und in völliger Offenheit führen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Friedliche Kundgebung vor dem NCCA während der Eröffnung der Ausstellung LICHT und MUSIK www.thurnhofer.cc

Resümee: Wie die Ausstellung „Light and Music“ beweist, gibt es viele verbindenden Elemente zwischen Austria und Belarus. Und wie das Verhalten der Botschafterin beweist, gibt es sowohl in Austria als auch in Belarus nicht die geringste Garantie, dass Staatsbeamte ihr Volk vertreten, geschweige unterstützen. Bleibt die Frage offen, was wohl VdB mit Lukaschenko hinter verschlossenen Türen besprochen hat. Offensichtlich konnte VdB seinen Kollegen nicht davon überzeugen, er möge sein Amt niederlegen oder zumindest das nächste Wahlergebnis nicht manipulieren. So wie ich VdB bislang kenne, muss ich davon ausgehen, dass er es nicht einmal versucht hat.

thurnhofer.cc "Mit Unterstützug der Botschaft Austria Minsk"

thurnhofer.cc Museum und Ausstellungsplakat

Ergänzung 5.9.2020, 22:05 Uhr: Frauenmarsch in Minsk

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Dieter Knoflach

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