Nach Al Gore, Schwarzenegger und Greta will nun auch Bill Gates das Weltklima retten! Dazu hat er ein Buch geschrieben, das naturgemäß ein weltweiter Bestseller ist und daher sehr viel Papier verbrauchen wird. Auch kann man darauf wetten, dass er demnächst häufig mit einem seiner Privatjets auf internationalen Klimakonferenzen auftauchen wird. Details über die Inhalte des Buches hab ich via Nachrichtenagentur pressetext publiziert. Hier mein Kommentar.
Piper Verlag www.piper.de
Das Paradigma – menschengemachter Klimawandel durch übermäßigen CO2 Ausstoß – kann außer Streit gestellt werden. Die Agenda der Pariser Klimakonferenz hat bereits Fahrt aufgenommen, insbesondere die neue EU-Kommissarin Ursula von der Leyen will mit dem Green Deal Europa zum ersten klimaneutralen Kontinenten der Welt machen. Der Weg zu diesem Ziel ist jedoch voller Widersprüche: so ziemlich jede Maßnahme, die vorgeschlagen wird, führt umgehend zu mehr Stromverbrauch, doch die Stromproduktion selbst ist noch zu 62 Prozent von den fossilen Ressourcen Kohle, Erdgas und Öl abhängig.
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Bill Gates hat dieses Dilemma gründlich dokumentiert und analyisiert, seine Pläne bleiben jedoch sehr allgemein. Man könnte auch sagen: oberflächlich. Sie gehen nicht tiefer als jeder „Grundkurs Wirtschaft“, wie der Autor selbst bestätigt, wenn er sich auf das „Gesetz von Angebot und Nachfrage“ beruft (S. 248), um innovative Lösungen zur Einsparung von CO2 zu forcieren. Weiters fordert der „Technologe, Wirtschaftsführer und Philanthrop“ (Quelle: Piper Verlag), dass die Regierungen (riskante) Forschung fördern sollen, bis diese (innovative) Produkte hervorbringen und den Unternehmen ermöglichen Profite erwirtschaften. Dass jedoch mehr Staatsausgaben nur durch höhere Steuern möglich sind, bleibt in den Betrachtungen des Autors ausgespart.Das einfache Rezept, die Klimawende durch Steuerpolitik zu steuern, indem man fossile Rohstoffe sehr hoch und erneuerbare Energie sehr niedrig besteuert, bringt der Wirtschaftsführer nicht ins Gespräch. Diese Form der Planung wird in Amerika als sozialistisch, wenn nicht geradezu als kommunistisch verachtet.
Bill Gates ist ein typischer Amerikaner. Typisch auch der Hinweis, dass die Amerikaner gerne Auto fahren (und die amerikanischen Autofahrer den größten CO2-Ausstoß in ihrem Land verursachen), der ohne kritische Schlussfolgerungen bleibt. Und ohne Konsequenzen, solange die US-Regierung die Mineralölsteuer nicht drastisch erhöht. Während die Mineralölsteuer in den USA 4-5 Cent pro Liter Benzin bzw Diesel beträgt und seit 1993 (!) niemals an die Inflation angepasst wurde, beträgt die Mineralölsteuer in der EU 32 Cent (Ungarn) bis zu 72 Cent (Italien) pro Liter. Im Verhältnis zu anderen Produkten, deren Preise sich in den vergangen 20 Jahren verdoppelt haben, ist aber Treibstoff auch in der EU immer noch „spottbillig“. Dieses Beispiel zeigt, dass das Paradigma des Klimawandels noch nicht zum Paradigmenwechsel in Politik und Wirtschaft geführt hat. Die Politik vermeidet weiterhin, heiße Eisen anzugreifen, um ihre Wähler nicht zu verärgern. Die Wirtschaft ist weiterhin auf Gewinnmaximerung augerichtet. Und jene Menschen, die sich bereits so intensiv wie Bill Gates mit dem Problem Klimawandel beschäftigt haben, bleiben doch linearen, monokausalen Erklärungen verhaftet.
So sieht der Technologe den Wald, der einfach vor sich hinwachsen soll, nur als Randthema in der Landwirtschaft, obwohl die Kreislaufbewirtschaftung des Waldes in Europa in vielenTeilen der Welt seit Jahrzehnten positive Beiträge zur CO2-Bilanz liefert und exemplarisch für nachhaltige Bewältigung aller fünf Bereiche (Stromerzeugung, Industrie, Landwirtschaft, Verkehr und Heizen/Kühlen) stehen könnte. Auch blinde Flecken zeigen sich in der Analyse, so kommt das Wort "Fracking" im vorliegenden Buch überhaupt nicht vor.
Die Verschmutzung der Natur und Weltmeere durch Plastikmüll und alle damit verbundenen Probleme von den Ursachen bis zu den Auswirkungen werden in einem Nebensatz abgehandelt: „nicht so schlimm“. Nicht zuletzt birgt eine Technologie-Gläubigkeit Gefahren, wenn sie sogar die Hoffnung auf "Wunder" (wie die Erfindung von Strom oder die Entwicklung von Kunstdünger) impliziert. So wird beispielsweise ernsthaft in Erwägung gezogen, dass dank Bioengineering (konkret das Impfen von Wolken durch sonnenreflektierende Moleküle) die Erdtemperatur um bis zu einen Grad gesenkt werden könnte, mit der techno-naiven Prämisse, dies könne der Umwelt in keiner Weise schaden.
Ob ein weltumspannendes Projekt wie die Verhinderung der Klimakatastrophe überhaupt planbar ist, bleibt offen; ebenso die Frage, ob die Beseitigung von klimaschädlichen Technologien allein durch klimafreundliche Technologien die Welt retten kann. Alles Andere kann gemäß der Analyse von Bill Gates nur marginale Einsparungen bringen. Denn sollten alle reichen Menschen dieser Welt sofort auf große Teile ihres Luxuslebens verzichten, so rücken sofort die armen Menschen aus den Schwellenländern nach, die entsprechenden Nachholbedarf haben. Abgesehen davon, dass bis zum Jahr 2100 eine Weltbevölkerung von zehn Milliarden Menschen zu erwarten ist. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt: „Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich die ganze Welt dazu ermutigen möchte, effektive Pläne für den Umgang mit dem Klimawandel zu verabschieden.“ (S. 291)
Bill Gates: "Wie wir die Klimakatastrophe verhindern. Welche Lösungen es gibt und welche Fortschritte nötig sind". Piper Verlag, München 2021.
Siehe auch: How the cult of Bill Gates is leading us towards a climate disaster