"Rettung oder Risiko? Wirkungsweisen, Schutz und Nebenwirkungen der Hoffnungsträger" - Das neue Buch des Biologen und Gesundheitsökologen.

Clemens G. Arvay - screenshot https://www.clemensarvay.com/

Der Biologe Clemens G. Arvay hat zu Jahresbeginn ein Buch über die Corona-Impfstoffe vorgelegt. Zu dem Zeitpunkt waren zwei Impfstoffe bereits in der EU zugelassen: AstraZeneca &Vaccitech, BioNTech & Pfizer. Große Chancen wurden damals auch Moderna und CureVac eingeräumt. Letzterer musste kürzlich einen Rückzieher machen, EU-weit zugelassen wurden indessen Moderna und außerdem der Impfstoff von Johnson & Johnson (Markenname: Jannsen).

CureVac teilt am 16. Juni ad hoc mit: "In einer bislang beispiellosen Umgebung mit mindestens 13 Varianten innerhalb der untersuchten Teilmenge der Studienteilnehmer in dieser Zwischenanalyse erzielte CVnCoV eine vorläufige Wirksamkeit von 47 % gegen eine COVID-19-Erkrankung jeglichen Schweregrades und erreichte damit nicht die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien." Der Kurs der Aktien des Unternehmens lag am 2. Juni noch bei 102 Euro lag und ist am 17. Juni auf 46,47 Euro eingebrochen.

Über AstraZeneca schreibt Arvay nach vorläufiger Auswertung der kombinierten Phase I/II Studie (Stand Dezember 2020), dass die Kontrollgruppe kein Placebo, sondern einen bereits zugelassenen Impfstoff gegen Meningokokken erhalten hat: "Die Entscheidung ist ungewöhnlich, zumal ein Meningokokken-Impfstoff gegen Bakterien eine völlig andere Impfstoffgattung darstellt als ein Impfstoff gegen Coronaviren." Sinn der Sache: "Der getestete Impfstoffkandidat sieht dann im statistischen Vergleich besser aus."

Da ein Placebo per definitionem ohne Wirkung - somit auch ohne Nebenwirkungen - ist, ist der Vergleich mit einem Stoff, bei dem bereits Nebenwirkungen bekannt sind, für den neuen Impfstoff vorteilhafter. Trotzdem wurde die Häufung der Impfnebenwirkung in dieser Testphase als "signifikant" eingestuft. Arvay: "Bei strenger Auslegung des Vorsogeprinzips wäre es empfehlenswert gewesen, diesen Impfstoff nicht im teleskopierten Eilverfahren weiter zu testen. Vermutlich hätte der Kandidat vor COVID-19 so einfach keine Zulassung in der Phase II erhalten." Im Teleskopverfahren werden mehrere Maßnahmen, die normaler Weise hintereinander ablaufen, gleichzeitig durchgeführt.

Bisherige Standards der Forschung

Im Kapitel "Teleskopierung der Impfstoffsicherheit" skizziert Arvay die bisher gültigen Standards: Präklinische Phase mit Zellkulturen im Labor und mit ersten Tierversuchen dauert typischerweise mehr als fünf Jahre. Klinische Phase I mit weniger als 100 Versuchspersonen dient der Klärung, ob der Impfstoff tatsächlich ins Zielgewebe gelangt; sie dauert mindestens ein Jahr. Die klinische Phase II (üblicherweise zwei bis drei Jahre) mit maximal 1.000 Teilnehmern mit Kontrollgruppen soll die Nebenwirkungen erforschen. In der klinischen Phase III werden bereits Tausende Testpersonen - ebenso mit einem Placebovergleich - geimpft und danach zwei Jahre lang kontrolliert. Klinische Phase IV, der Rollout, erfolgt nach diesen Standards nach zehn Jahren wissenschaftlicher Untersuchungen.

Mangels Langzeitstudien ist auch bei BioNTech "unser Nichtwissen, mit dem wir uns nach den teleskopierten Testverfahren abzufinden haben" größer, als unser Wissen. Der BioNTech-Impfstoff wurde zunächst für Personen unter 16 Jahren nicht zugelassen, außerdem wurde "stillenden Müttern transparent von der Impfung abgeraten." Im Februar dieses Jahres hat das Unternehmen angekündigt: "Pfizer und BioNTech starten globale klinische Studie zur Untersuchung des COVID-19-Impfstoffs in schwangeren Frauen". Bereits Anfang Mai gaben gynäkologische Fachgesellschaften Impfempfehlungen an schwangere Frauen raus - mit expliziter Empfehlung von BioNTech/Pfizer.

Immer noch aktuell ist die Schlussfolgerung des Autors: "Insbesondere wegen des fehlenden Nachweises der sterilen Immunität, der in teleskopierten Studien nicht erbracht werden kann, gibt es keine Grundlage für eine moralische 'Verpflichtung', sich für die Impfung zu entscheiden. Auch eine indirekte Impfpflicht durch politisch verordnete Einschränkungen oder durch sozialen Druck, den Menschen aufeinander ausüben, erscheint aufgrund der offenen Sicherheitsfragen und lückenhaften Wirksamkeitsnachweise nicht gerechtfertigt."

288 Impstoffkandidaten (Stand 27.6.2021) und Bill Gates

Seit Anfang 2020 verfolgt Arvay die von der WHO publizierte Liste der Impfstoff-Kandidaten, wobei sich zunächst genetische und konventionelle Technologien die Waage hielten. Mit Stand 17.12.2020 waren bei der WHO 233 Impfstoffkandidaten gemeldet, davon 47,2 Prozent auf Basis genetischer Technologien. Zu dem Zeitpunkt waren 12 Kandidaten in der (teleskopierten) klinischen Phase III, davon acht genetische Impfstoffe. Stand heute: in der EU wurden ausschließlich genetische Impfstoffe zugelassen.

Angesichts der Tatsache, dass weltweit weniger als ein Dutzend Impstoffe zugelassen wurden, stellt sich die Frage, was aus bislang 288 Impfstoff-Entwicklungen wurde. Laut WHO sind derzeit 184 noch in präklinischer Phase und 104 in der klinischen Phase, davon Pfizer, AstraZeneca, Moderna, sowie Cansino und Sinovac aus China in Phase IV, Janssen allerdings noch in Phase III. Nebenbei bemerkt: nach Sputnik sucht man auf der Liste vergeblich.

Wer einen kausalen Zusammenhang zwischen den Zulassungen und den Vorbestellungen sieht, und darüber hinaus einen kausalen Zusammenhang zwischen den Zulassungen und den Investements der Bill & Melinda Gates Stiftung, kann nur ein Verschwörungstheoretiker sein.

Arvay berichtet: "Nachdem die Bill & Melinda Gates (BMG) Stiftung die Vorproduktion des Oxford-Kandidaten Anfang Juni 2020 mit einer neuerlichen Investition von 750 Millionen Dollar unterstützt hatte, wurde das anvisierte Volumen der Vorproduktion von ursprünglich einer auf zwei Milliarden Impfstoffdosen verdoppelt. Produktion und Vorbestellungen liefen an, obwohl es zum damaligen Zeitpunkt noch keine Auswertung der teleskopierten Phase I/II gab und die Chance auf eine Zulassung des Impfstoffs wissenschaftlich nicht einschätzbar war." Weiters: "Das Unternehmen BioNTech wurde schon im Herbst 2019 mit einer Investitionssumme von 55 Millionen Dollar von der BMG Stiftung unterstützt, wobei eine Gesamtinvestition von 100 Millionen Dollar in Aussicht gestellt wurde." So wie BioNTech/Pfizer produziert auch Moderna eine mRNA Impfstoff. "Im Vergleich zum BioNTech-Impfstoff, der bei minus 70 bis minus 80 Grad Celsius gelagert werden muss, verlangt der Moderna-Kandidat nur nach einer Lagerung bei minsu 20 Grad. Schon 2016 unterstützte die BMG Stiftung die mRNA-Technologie von Moderna mit einem Investment von zunächst 20 Millionen Dollar mit der Aussicht auf eine Erhöhung auf 100 Millionen im weiteren Verlauf." Auch in CureVac hat der Big Spender investiert, der bekanntlich auch die WHO mitfinanziert.

Wer keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Zulassungen und den Vorbestellungen sieht, und darüber hinaus keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Zulassungen und den Investments der Bill & Melinda Gates Stiftung, ist offenbar nicht imstande eine Theorie zu bilden - egal ob Verschwörungstheorie, naturwissenschaftliche oder politische Theorie.

Clemens G. Arvay

Corona-Impfstoffe: Rettung oder Risiko?

Wirkungsweisen, Schutz und Nebenwirkungen der Hoffnungsträger

Erschienen bei Bastei Lübbe, 2021

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