Das Recht geht vom Volk aus, die Verfassungs-Ignoranz vom Bundespräsidenten.

DieZeit.de (10.1.2025), um ein unverdächtiges ausländisches Medium zu zitieren, schreibt: „Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat Außenminister Alexander Schallenberg zum geschäftsführenden Bundeskanzler ernannt.“ Schon um 9 Uhr erklärt uns VdB via Twitter/X (von hier auch das Foto):

Bundespräsidentenamt https://x.com/vanderbellen/status/1877664696234365160/photo/1

Alexander Van der Bellen @vanderbellen Eine der Aufgaben des Bundespräsidenten ist es, dafür zu sorgen, dass zu jedem Zeitpunkt eine funktionierende Bundesregierung im Amt ist, die die Geschicke der Republik lenken sowie das Land in der Europäischen Union vertreten kann.

Nachdem es bei einer einstweiligen Bundesregierung laut Bundesverfassung keinen Vizekanzler gibt, betraue ich analog zur Verhinderungsregel des Art. 69 B-VG das längstdienende Mitglied der Bundesregierung – @a_schallenberg – mit der Vertretung des Kanzlers.

Er ist somit mit der Fortführung der Verwaltung des @bkagvat und mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung betraut. Dieses Amt wird er bis zur Ernennung und Angelobung einer neuen Bundesregierung gleichzeitig mit dem Amt des Außenministers innehaben.

Ich danke @a_schallenberg für die Bereitschaft, diese Verantwortung zu übernehmen und sich – einmal mehr – in den Dienst unserer Republik zu stellen. (vdb)“

Das komplette Regierungs-Fortführungs- und Kanzler-Ernennungs-Larifari ist ein Beispiel für völlig überflüssige, aber kostspielige Maßnahmen unserer Operettenrepublik, die der Bundespräsident aufgrund mangelnder Verfassungskenntnisse zu verantworten hat.

1. Am 3. Oktober berichtet das Bundeskanzleramt: „Die amtierende Bundesregierung hat am Mittwoch, 3 Tage nach der Nationalratswahl, bei der Ministerratssitzung ihre Demission beschlossen und anschließend Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Rücktritt angeboten. Der Bundespräsident hat daraufhin die Bundesregierung des Amtes enthoben und sogleich mit der Fortführung der Verwaltung sowie Bundeskanzler Karl Nehammer erneut mit dem Vorsitz der Regierung betraut. Dieser Vorgang entspricht den üblichen politischen Usancen nach einer Wahl.“

Auf Deutsch: es geht um Usancen, nicht um Verfassungsgesetze. In der Verfassung steht kein Wort davon, dass die Regierung nach einer NR-Wahl abtreten muss. MERKE: Es wurde der NATIONALRAT gewählt, NICHT die REGIERUNG ABGEWÄHLT. Jede Usance kann man ändern, vorausgesetzt man will die Effizienz erhöhen – aber welcher BP hat schon jemals an Effizienz in seiner Amtsperiode gedacht?

2. VdB bezieht sich nach dem Rücktritt von Nehammer und die in der Neubesetzung des Kanzlers mit Schallenberg auf den Artikel 69 B-VG. Er meint wohl den Absatz 2, der lautet:

(2) Der Vizekanzler ist zur Vertretung des Bundeskanzlers in dessen gesamtem Wirkungsbereich berufen. Sind der Bundeskanzler und der Vizekanzler gleichzeitig verhindert, so wird der Bundeskanzler durch das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter durch das an Jahren älteste, nicht verhinderte Mitglied der Bundesregierung vertreten.

Wenn das der relevante Artikel ist, so beweist VdB einmal mehr, dass er ihn nicht gelesen hat, bevor er zur Tat schritt! Denn wer diesen Artikel liest, der müsste zum Schluss kommen, dass eine ERNENNUNG eines Kurzzeitkanzlers (und die damit verbundene Bürokratie) überhaupt nicht nötig ist, weil die VERTRETUNG des Kanzlers laut Verfassung eindeutig geklärt ist.

3. Sogar die ORF-Quoten-Bringer „Professor und der Wolf“ haben versucht, den Österreichern unsere Verfassung (im Unterschied zur Realverfassung) zu erklären. Trotz Massenpublikum vergeblich, wie Filzmaier jüngst eingestehen musste: „Zunächst sind auch wir gescheitert, Armin, du und ich. Denn wir haben bei unserem Podcast vor der Wahl sehr sorgsam uns bemüht zu erklären und damit auch zu vermitteln, dass es den Regierungsbildungsauftrag formell gar nicht gibt. Das steht weder in der Verfassung, noch in sonst irgendeinem Gesetz, er ist eine Usance.“ Was Wunder, wenn ein „Moralapostel“, der schon lange predigt, dass viele Sitten und Gewohnheiten, die der Realverfassung entspringen, nichts mit der geschriebenen Verfassung zu tun haben, die Menschen unseres Landes nicht erreicht.

In aller Deutlichkeit: Die weihvollen Rituale der Interrimsregierung sowie der Regierungsbildung (VdB: „Ich danke Schallenberg für die Bereitschaft, diese Verantwortung zu übernehmen ...“) können ersatzlos gestrichen werden. Der Bundespräsident kann zu jeder Tages- und Nachtzeit gemäß Artikel vorgehen: Artikel 70. (1) Der Bundeskanzler und auf seinen Vorschlag die übrigen Mitglieder der Bundesregierung werden vom Bundespräsidenten ernannt. Zur Entlassung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung ist ein Vorschlag nicht erforderlich;...

Angesichts hunderter, kasuistischer Kompetenzartikel mag es verwundern, doch Tatsache ist: Der Artikel 70 ist im B-VG und im gesamten BVG die einzige Aussage über die Regierungsbildung der Republik Österreich. VdB hat 2019 gemäß diesem Artikel ein Exempel statuiert um Innenminister Kickl los zu werden und den GRÜNEN mit Neuwahlen die Türen für den Wiedereinzug ins Parlament zu öffnen. VdB, seit 2020 Bundespräsident von Gnaden der neosgrünen SPÖVP dürfte heute diese Option nicht mehr unter „Schönheit und Eleganz unserer Verfassung“ subsumieren, sondern als Alptraum erleben, wenn er darin nicht gar den Untergang der Alpenrepublik sieht. Die gängige Verfassungs-Ignoranz des Landes geht von VdB aus, zieht sich durch alle Massenmedien und landet damit zwangsweise in den Köpfen der Masse. Das Recht geht vom Volk aus, die Verfassungs-Ignoranz vom Bundespräsidenten.

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SusiK

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