Am 1. Jänner 2009 ist Johannes Mario Simmel (geboren am 7. April 1924) gestorben. Aus diesem Anlass möchte ich heute an seinen Roman "Die Antwort kennt nur der Wind" erinnern. Darin schildert der Autor die wildesten Finanz-Spekulationen, die man sich im Jahr 1972 vorstellen konnte. Dass diese aber aus Sicht der Finanzwelt 45 Jahre später nur noch wie harmlose Taschenspielertricks wirken, das ist wirklich beängstigend!
Die „harmlosen Taschenspielertricks“ im Roman sind einfache Devisenspekulationen, mit denen Banken gute Gewinne erzielen, indem sie ihr Insider-Wissen ausnutzen und vor Abwertungen die entsprechenden Währungen auf Kredit kaufen und umgehend bei der Bundesbank tauschen um sie nach Abwertung mit Gewinn wieder zurück zu tauschen. Davon profitieren nicht nur Banken, sondern auch multinationale Konzerne. Die Inflation, die mit solchen Spekulationen verstärkt wird, schadet aber nicht den Verursachern, sondern nur dem kleinen Mann.
Der Held des Romans, Robert Lucas, wird in dieses Thema verstrickt, weil er im Auftrag einer Versicherung klären muss, ob ein deutscher Bankier, der in seiner Jacht vor Cannes in die Luft gesprengt wurde, Selbstmord begangen hatte oder ermordet wurde. Herr Friese, ein Mann aus dem Finanzministerium, erklärt die Zusammenhänge:
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„Sehen Sie, Herr Lucas, es ist kein Geheimnis: Wir haben heute eine weltweite Inflation. Wenn es uns nicht gelingt, sie in den Griff zu bekommen, wird es eine weltweite Wirtschaftskatastrophe geben. Und die wird mindestens so schlimm werden wie der Zweite Weltkrieg“. Er sprach immer gleichmäßig, ruhig und sachlich, nur seinem angespannten Gesicht sah man an, wie sehr ihn bewegte, worüber er redete. „Ich möchte zuvor noch sagen, daß ich Inflation für den gemeinsten Diebstahl halte, den es gibt. Deshalb, weil man gegen die Menschen, die ihn – wie in unserem Fall – wissentlich und brutal und rücksichtslos für sich ausnützen, vom Gesetz her nicht das geringste unternehmen kann.“
… „Wie kommt es zu dieser Inflation und der Gefahr, von der Sie sprechen, Herr Friese?“ fragte ich …
„Sehen Sie“, sagte Friese, „in der ganzen Welt vagabundiert heute eine Summe von rund siebzig Milliarden Dollars. Siebzig Millarden! Können sie sich eine solche Summe überhaupt vorstellen?“
„Nein“, sagte ich.
„Niemand kann es. Aber so ist es. Diese siebzig Milliarden richten einen Teil des Unheils an.“
„Zunächst: Woher kommen sie?“ fragte ich.
„Von enormen Konzernen drüben, von Privatbankiers, von großen Banken, von den mächtigsten Spekulanten, die es gibt. Sie entstanden durch das sogenannte deficit-spending der USA.“
„Was ist das?“
„Die USA kaufen noch immer viel mehr im Ausland ein, als sie exportieren. Also kommen immer mehr Dollars ins Ausland. Der Dollar ist noch Leitwährung der Welt. Er ist – seit langem – überbewertet. Aber die Amerikaner werten nur sehr ungern ab. Damit würde nämlich der Goldpreis steigen – und das käme den Russen zugute, die unermeßliche Vorräte an Gold haben und jederzeit auf den Markt werfen könnten. Darum ist es zum Beispiel amerikanischen Bürgern auch verboten, Gold aus den zusammengeschrumpften Beständen Amerikas zu kaufen. Uns ist es erlaubt, den Schweizern ist es erlaubt – Amerikanern nicht. … Wenn es sich um amerikanische Konzerne handelt oder um multinationale Gesellschaften, dann geht die Sache klar, die können bei uns so viele deutsche Aktien kaufen, wie sie lustig sind. Der gewöhnliche Amerikaner, der deutsche Aktien erwerben will, muß zwölf Prozent Steuern bezahlen.“
„Das ist doch eine Schweinerei“, sagte ich.
„Eine völlig legale Schweinerei“, sagte Friese.
„Was sind überhaupt multinationale Gesellschaften?“ fragte ich.
„Unternehmen, die in allen Industrieländern Niederlassungen haben und somit nirgends als Ausländer behandelt werden – ohne daß sie sich einem dieser Länder gegenüber irgendwie verpflichtet fühlen. Legal, wie gesagt. Legal, solange die Staaten selbst sich nicht dagegen wehren, nichts tun, fast möchte ich sagen, sich von diesen multinationalen Gesellschaften erpressen lassen und die Augen zudrücken.“...
„Was tun nun diese siebzig Milliarden vagabundierende Dollars?“ fragte Friese rhetorisch. „Sie liegen bei Banken, sie wurden in ausländische Werke investiert oder zu ihrem Aufkauf verwendet und sie gehen immer dorthin, wo sich am meisten mit ihnen verdienen läßt. Also in Länder mit der relativ größten Geldsicherheit – in die Bundesrepublik vor allem. …Die Bundesbank ist nach dem internationalen Währungsabkommen, das zwar formal noch gültig, aber in der Praxis längst durchlöchert ist, verpflichtet, jede Währung in jeder Höhe anzunehmen und umzutauschen. Auf diese Weise kommen also immer neue Milliarden zu uns...“ (S. 174 ff)
Carmen Wagner: Basis der Liebe www.thurnhofer.cc
Wenn wir aus dem Jahr 1972 rund 40 Jahre in die Vergangenheit blenden, so sind wir in den wilden Jahren der Weltwirtschaftskrise, mit Inflation und Arbeitslosigkeit als Vorläufer und Ursache des Zweiten Weltkrieges. Wenn wir aus dem Jahr 1972 rund 40 Jahr in die Zukunft blenden, so sind wir in einer Weltwirtschaftskrise, in der sich die Industriestaaten immer mehr verschulden, um einen weiteren Finanzcrash zu vermeiden, während sie de facto den großen Crash nur auf die lange Bank schieben, weil die globalisierte Finanzindustrie mehr denn je der Politik ihre Regeln aufzwingt.
Die Politik hat offen vor der Finanzindustrie kapituliert. Die Politiker gestehen offen ein, dass sie nicht abschätzen können, was der Bankrott einer „systemrelevanten Bank“ für Auswirkungen haben könnte. Gleichzeitig geben sich Politiker mittlerweile der Illusion hin, dass sich die Schulden aufgrund der Deflation wie von selbst auflösen werden. Und man verschiebt das Schuldproblem nicht mehr auf die Kinder, sondern auf die Ur-Enkel. So hat die Repulbik Österreich in diesem Jahr Anleihen mit 70-jähriger Laufzeit begeben
„Das durchschnittliche weltweite Handelsvolumen pro Tag belief sich im April 2016 auf 5,1 Billionen Dollar, nach 5,4 Billionen Dollar im April 2013, dem letzten Vergleichswert“, so das Finanzportal Godmode Trader. Nachsatz: „nur sieben Prozent auf Teilnehmer außerhalb des Finanzsektors, wie private Trader oder Nicht-Finanz-Unternehmen, die sich zum Beispiel gegen Währungsschwankungen absichern. Ganze 93 Prozent des Handelsvolumens wurde von Banken, Hedgefonds und andere Institutionen aus dem Finanzsektor generiert.“
Wie schön, dass der Draghi-Komiker der EZB in dieses Fass ohne Boden auch noch 100 Milliarden Euro monatlich rein schüttet – angeblich zur Belebung der Wirtschaft. De facto zur permanenten Wiederbeatmung der Finanzwirtschaft, die 93 Prozent dieser Beträge inhaliert, bzw. „generiert“ wie das aus Sicht der Finanzindustrie heißt.
Details siehe: Die finanzindustrielle Revolution