„The Great Escape“ ist der Titel eines Buches, das der Wirtschaftsnobelpreisträger Angus Deaton 2013 publiziert hat. Die deutsche Übersetzung „Der große Ausbruch“ ist 2017 erschienen. "But Beautiful" heißt die neue Dokumentation des Filmemachers Erwin Wagenhofer, die derzeit in den Kinos läuft. Was beide miteinander verbindet, bringt der Titel dieses Beitrags zum Ausdruck: Escape But Beautiful.
Screenshots Collage www.ethos.at
„Von Armut und Wohlstand der Nationen“ ist der Untertitel von Deatons Buch, in dem er Ursachen der Ungleichheit und der Armut untersucht. Dabei geht es um zwei Thesen: (1) Jede Beseitigung einer Ungleichheit führt zu neuen Ungleichheiten. (2) Mangel an Freiheit ist gleichbedeutend mit Armut, Entbehrung und schlechter Gesundheit. Wagenhofer schließt nahtlos an die zweite These an, denn er drehte einen „Film über die Freiheit glücklich zu sein“. Darin zitiert er den Dalai Lama mit den Worten: „Nichts existiert unabhängig.“ Und diese Worte sind die andere Seite der Medaille, die Deaton in seiner ersten These aufgeworfen hat.
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Akribisch untersucht Deaton unterschiedliche Definitionen von Armut und Festsetzungen der Armutsgrenzen; sowohl innerhalb eines Staates wie den USA, als auch global. So zeigen Statistiken, „dass die Zahl der Menschen in aller Welt, die von weniger als einem Dollar [gemessen an der Kaufkraftparität 2005] am Tag leben, von etwa 1,5 Milliarden im Jahr 1981 auf 805 Millionen im Jahr 2008 sank - und das, obwohl die Bevölkerung in den erfassten Ländern um fast zwei Milliarden Menschen stieg. Damit sank der Anteil der in Armut lebenden Menschen an der Gesamtbevölkerung sehr viel deutlicher als die Gesamtzahl der Armen, nämlich von 42 auf 14 Prozent.“ (S. 319)
Die Wahrheit am Ende aller Zahlenspiele ist jedoch einfach, vielleicht sogar banal: „Die Gründe, warum manche Länder schnell und andere langsam wachsen sind noch längst nicht durchschaut.“ (S. 304) Und über die internationalen Vergleichsverfahren schreibt der Ökonom: „Natürlich ist all das Unfug, genauso wie die Versuche, einige wenige Erfolge und Misserfolge zu untersuchen und aufgrund zufälliger Gemeinsamkeiten törichte Verallgemeinerungen anzustellen.“ (S. 305)
So ist der beeindruckende Rückgang der weltweiten Armut „fast zur Gänze auf das chinesische Wachstumswunder zurückzuführen. Lässt man China außer Betracht, so lebten im Jahr 1981 785 Millionen Menschen von weniger als einem Dollar am Tag, während es im Jahr 2008 708 Millionen waren.“ Ohne China sank die Armut weltweit von 29 auf 16 Prozent. Deaton widmet den Faktoren Gesundheit (medizinische Versorgung) und Wohlstand (angemessenes Einkommen, das insbesondere ausreichende und gesunde Ernährung ermöglicht) viel Aufmerksamkeit, wenn es um die Beseitigung der Armut geht. Doch im Wirtschaftswachstum sieht er den Hauptfaktor zur Beseitigung von Armut, sofern die Armen nicht gezielt von den Reichen am Ausbruch aus ihrer Situation gehindert werden. Das passiert allerdings in zunehmendem Maße seit den 1980er Jahren, während vom Wachstum in den Nachkriegsjahren alle Gesellschaftsschichten profitieren konnten.
Wirtschaftswachstum bedeutet Wettbewerb, oft auch Vernichtung der Schwächeren, Anreicherung statt Ausgleich. Wirtschaftsliberale halten dieses Modell für alternativlos und verweisen auf das Scheitern des Kommunismus. Die Alternative zum Wettbewerb ist jedoch nicht die Planwirtschaft, sondern die Kooperative. Der Salzburger Förster Erwin Thoma betrachtet den Wald als größte Industrie der Welt, die durch Kooperation mehr produziert als verbraucht. „Es wird uns jeden Tag erzählt, dass irgend etwas knapp ist. In Wahrheit haben wir von überhaupt nix zu wenig, sondern nur falsche Konzepte“. Das „Modell Wald“ kann als Vorbild dienen, denn die Bäume eines Waldes helfen einander in Dürrezeiten, hat Thoma herausgefunden.
But Beautiful zeigt ein weiteres Beispiel kooperativer Wirtschaft. Der indische Ökonom Bunker Roy verweist darauf, dass internationale Organisationen viel Geld ausgeben um Statistiken über die Analphabetenrate in den Entwicklungsländern zu erstellen. Es müsse jedoch darum gehen, den Analphabeten praktische Fähigkeiten in die Hand zu geben (buchstäblich gemeint), um in ihren Dörfern etwas zu verändern. Dabei werden Frauen zu treibenden Kräften, denn Männer nutzen ihre Ausbildung um in den Ballungszentren zu bleiben, während Frauen in ihre Dörfer zurück gehen. So hat das von Bunker Roy gegründete Barefoot College seit 1972 in 92 Ländern 2200 „Solar Mamas“ ausgebildet, die mit ihrem Knowhow in viele Dörfer erstmals elektrischen Strom gebracht haben.