Mir sind die Burschenschaften von je her unsympathisch. Genau genommen finde ich sie zum Speiben. Allerdings ist die Hexenjagd, die derzeit mit Udo Landbauer betrieben wird, nicht dazu geeignet, zu einer ernsthaften moralischen Vergangenheitsbewältigung beizutragen.
Fakt ist: 1996 haben ein paar Schwachköpfe ein Liederbuch mit antisemitischen Inhalten publiziert. Fakt ist, dass damals – Regierung Vranitzky IV oder Regierung Vranitzky V - ein roter Innenminister nix davon bemerkt hat. Und seit damals bis heute haben die Behörden, die für die Untersuchung und Ahndung von Wiederbetätigungsfällen zuständig sind, nix davon bemerkt. Das ist der eigentliche Skandal!
Jetzt aber, wo ein paar Journalisten die Schweinerei ausgegraben haben, schießen sich alle, die sich selbst als anständige Menschen gefallen und wahrscheinlich einen Heiligenschein aufleuchten sehen, wenn sie sich morgens in den Spiegel schauen, auf den Germania-Vizeobmann und FPÖ-Politiker Udo Ladenbauer ein. Bis hin zum Bundespräsidenten. Auch die NÖ Landeshauptfrau, naturgemäß.
Soweit ich diese Hetzjagd bis heute unfreiwillig mitverfolgt habe, impliziert jedes Statement eine Vorverurteilung. Schuldzuweisungen aus der untersten Schublade, die einmal mehr beweisen, dass Politiker nicht im geringsten eine Ahnung davon haben, wovon sie sprechen, wenn sie den Begriff „Verantwortung“ in den Mund nehmen. Genau genommen ist es so: die Politiker sprechen von Verantwortung, aber speien Schuldzuweisung aus. Das ist zum Kotzen. Solche Verteidiger haben sich die Juden nicht verdient.
Falls ich mich nicht klar ausgedrückt habe: Udo Ladenbauer kann für ein Liederbuch, das er nicht produziert hat, nicht verantwortlich gemacht werden. Ihn zum Sündenbock zu stempeln, ist nicht moralisch, sondern moralinsauer. Jene, die das Machwerk produziert haben, sind zur Verantwortung zu ziehen. Und jene Behörden, die 20 Jahre geschlafen haben, ebenso!
Ernst Zdrahal - Die Österreichische Seele www.ethos.at
Darüber hinaus ist es angebracht, alle Burschenschaften grundsätzlich zu durchleuchten. Und wenn ihnen Wiederbetätigung nachgewiesen wird, sind sie zu verbieten. Solange sie aber nicht verboten sind, ist es infam einzelne Mitglieder dieser Gesellschaften a priori zu kriminalisieren – egal ob ICH oder der Herr Bundespräsident sie zum Speiben finden.
Mehr zum Thema Vergangenheitsbewältigung siehe: MORAL 4.0
NACHSATZ 2.2.2017: Der Rücktritt von Udo Landbauer hat es gestern, Donnerstagabend, sogar in den Newsblock der ARD Tagesthemen, das ist die deutsche ZIB2, geschafft. Nur zum Vergleich: die Wellen, die seinerzeit der BAWAG-Skandal in den österreichischen Medien geschlagen hat, haben in der ARD nicht den geringsten Spritzer hinterlassen.