Seinen 296. Geburtstag würde der Königsberger Philosoph Immanuel Kant heute feiern. Wichtig genug, um an ein paar Grundsätze seiner Philosophie zu erinnern! Am Anfang ein Zitat aus seinem Essay über die Frage "Was ist Aufklärung?"
Hubert Thurnhofer www.ethos.at
"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung."
Über die Metaphysiker, jene Philosophen, die endlos über geistige Dinge und Wesen spekulierten, machte Immanuel Kant (1724-1804) sich lustig: wann immer sie den Schaum ihrer Weisheiten abschöpften, der sofort zerging, zeigte sich neuerlich Schaum auf der Oberfläche, „den immer einige begierig aufsammleten, wobei andere, anstatt in der Tiefe die Ursache dieser Erscheinung zu suchen, sich damit weise dünkten, daß sie die vergebliche Mühe der Ersteren belachten.“ (Prolegomena, 20) Kant kritisiert an der Schulmetaphysik (Scholastik) insbesondere den „Dogmatismus, der uns nichts lehrt“ (P, 23) sowie „mystische Schwärmerei und Hirngespinste“ (P, 47) und entwickelt daher die Kritik der reinen Vernunft als „Gegenmittel“.
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Kants Gegenmittel liegt in der kritischen Methode, er konstituiert die Metaphysik als Wissenschaft. Er vergleicht seine Transformation der Metaphysik mit der kopernikanischen Wende in der Physik. Mit heutigen Begriffen: Kant hat einen Paradigmenwechsel vollzogen.
Dieser Paradigmenwechsel ist in Folge der Aufklärung möglich geworden. Die „Kritik der reinen Vernunft“, die eine „Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können“ begründet hat, wurde vor 240 Jahren publiziert und kann als Fundament der Aufklärung gesehen werden. Unser Zeitgeist wurde möglich, weil Kant die Grenzen der Erkenntnis ausgelotet und die Abgrenzung zum Glauben begründet hat.
Wer Kants Kritik nur oberflächlich aus dem Schulunterricht kennt, wird sich an die Aussage erinnern, dass „das Ding an sich“ nicht erkannt werden kann. Demnach kann auch ein „System an sich“ nicht erkannt werden. Zur Aufklärung dieses Dilemmas muss hier erklärt werden, was das Wesen der Kritik, richtiger gesagt: die Methode der Kritik ausmacht. Das „Geschäft der Kritik“ wie Kant formuliert, ist es, die Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis zu ergründen und zu begründen und damit die Grenzen der Erkenntnis (d.h. die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit) aufzuzeigen. Seine Kritiken sind so schwer zu lesen, weil Kant uns keine fertigen Begründungen liefert, sondern uns an seinem Prozess der Ergründung der Elementarbegriffe der Metaphysik teilnehmen lässt. So bleibt die Methode und ihre Begründung für den ungeübten Leser unklar und verschwommen.
Hier die wesentlichen Grundlagen der kritischen Methode: Grenzbegriffe, die vor der Erkenntnis stehen, sind die Kategorien (Elementarbegriffe wie Kausalität, Quantität, Qualität, Modalität), und die „reinen Anschauungen“ Raum und Zeit. Darüber hinaus gibt es Ideen (spekulative Begriffe, die über der Erkenntnis stehen). Kant unterscheidet psychologische, kosmologische und theologische Ideen, die „lauter reine Vernunftbegriffe sind, die in keiner Erfahrung gegeben werden können“, die aber dazu geeignet sind, unseren Verstandesgebrauch zu einer synthetischen Einheit zu bringen. (P § 56) Bewusstsein und Selbstbewusstsein, sind psychologische Ideen, Unendlichkeit und Universum sind kosmologische Ideen, Gott und Schöpfung sind theologische Ideen. Ideen, reine Vernunftbegriffe und spekulative Begriffe sind bei Kant weitgehend Synonym. Spekulation ist demnach nicht grundsätzlich abwertend gemeint, wird aber scharf kritisiert, wenn sie sich als Wissenschaft ausgibt.
Kant hat bewiesen, dass spekulative Aussagen (Behauptungen, Urteile) nicht bewiesen werden können. So bringt er in der vierten „Antinomie der reinen Vernunft“ den Nachweis, dass sowohl die Aussage, dass die Welt einen Schöpfer habe, als auch die Aussage, es gebe kein „schlechthin notwendiges Wesen in und außer der Welt“ wahr sein können. Mit den gleichen Begründungen (Untersuchung ihrer Gründe) ist aber auch nachweisbar, dass beide Behauptungen falsch sind.
Vereinfacht gesagt: spekulative Begriffe (Gott, Unendlichkeit, Bewusstsien uvm) übersteigen die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit. Erkenntnis ist nur möglich, wenn die Aussagen empirisch verifizierbar sind. (Randbemerkung: die Frage nach dem Anfang unserer Welt ist eine Frage der Metaphysik, auch wenn die Physik heute sehr viel GELD investiert, um diese Frage zu ergründen.) Da die „letzte Wahrheit“ mit den Mitteln der Vernunft nicht erreichbar, nicht verifizierbar ist, grenzte Karl Popper die Position Kants ein. Demnach sind wissenschaftlich nur jene Aussagen (Behauptungen, Urteile), die falsifizierbar sind.