Kurier-Titel heute, S.18: „Corona-Busfahrt mit Nachwirkung“. Untertitel: „Zehn Tage danach. Video zeigt Demo-Anreisende ohne Maske. Nun explodieren die Infektionszahlen.“ Der erste Absatz beginnt mit einer pseudoauthentischen Schilderung der Busfahrt „Inbrünstig intonieren die Männer den den vorderen Reihen die Tiroler Landeshymne“ und schließt mit Horrorzahlen: „Zehn Tage später verzeichnet Arzl im Tiroler Pitztal einen neuen Corona-Cluster. Die Inzidenz liegt bei 1.106. Auch der Busunternehmer stammt von dort.“
Kurier/Thurnhofer www.ethos.at
Was der Leser in diesem Artikel nicht erfährt: Arzl im Pitztal hat 3.164 Einwohner, davon sind mit Stand 17.3. genau 58 Corona positiv gemeldet. (Quelle: Gemeindeamt Arzl, eigener Anruf heute um 11.30 Uhr.) Wie die Coronamathematik daraus eine Inzidenz von 1.106 hochrechnet, weiß ich nicht. Wie man durch Prozentrechnung auf 1,8 Prozent der Dorfbewohner kommt, die positiv sind, das kann ich gerne mal in einem Zoom-Nachhilfe-Meeting für Kurier-Redakteure erklären.
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Die Autorin des Beitrags, Michaela Reibenwein, antwortet nämlich auf meine Frage: Geht‘s noch, oder würd‘s auch anders gehen? „Dass in Arzl ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen ist, ist wohl unstrittig. Nachdem die Gemeinde sehr klein ist, ist die Inzidenz wohl aussagekräftiger als eine absolute Zahl. Wenn Sie vergleichen wollen: AGES Dashboard“
Das Dashoard zeigt die neun östererreischen Bundesländer im Vergleich. Diese haben bekanntlich unterschiedlich viele Einwohner, aber alle deutlich mehr als 100.000, somit ergibt die Verhältniszahl 100.000 zum Direktvergleich der Bundesländer einen Sinn. Doch die Verhältniszahl 100.000 für Dörfer mit 3.000 oder Kleinstädte mit 45.000 Einwohnern wie in Wiener Neustadt (dort wuden 317 Positive zur Inzidenz von 540 aufgeblasen - mit Militäreinsatz als Nachwirkung), ist statistisch und mathematisch ein Schwachsinn.
Zur Ehrenrettung der Kurier-Journalistin Michaela Reibenwein sei gesagt, dass sie in Absatz vier auch sagt, was Fakt und was Fake ist: „ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen den Infektionszahlen und der Busfahrt gibt, ist noch nicht belegt.“ Davor wird aber noch in Absatz zwei informiert: „Für Gebi Mair, Klubobmann der Grünen im Landtag, hängen die Busfahrt und der Anstieg der Infektionen klar zusammen.“ Klar doch! Der Kurier berichtet nicht was Fakt ist, sondern was für Gebi Mair „klar zusammenhängt.“
So kommentiert Reibenwein meinen Kommentar: „Sie geben den Titel leider verkürzt wieder. Genauso wie den Inhalt der Geschichte. Und Sie haben vielleicht überlesen, dass auch der Busunternehmer zu Wort gekommen ist und auch Herr Abwerzger.“ Ein Artikel über dieses Thema erscheint auch in der Onlineausgabe, übrigens mit Fragezeichen: „Corona-Cluster nach Tiroler Busfahrt zu Demos in Wien?“ Der Online-Beitrag stammt allerdings von Kevin Kada.
Fakt ist jedenfalls: Für jeden normalen Zeitungsleser, der nicht Sprachphilosophie und Linguistik studiert hat, bleibt der - sicher rein subjektive und vom Kurier nicht beabsichtigte – Eindruck, dass Demonstranten umgehend zu Superspreadern des Coronavirus mutieren und dem entsprechend an der Ausbreitung von Corona schuld sind. Wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß, halten sich die Journalisten des Kurier für Mitarbeiter einer Qualitätszeitung. So ist jeder Leser selbst schuld, wenn die Lektüre dieses Blattes zu unerwünschten Neben- oder Nachwirkungen führt. Eine bedrohliche Nebenwirkung, die ich seit einem Jahr beobachte, ist die totale Gleichschaltung der Menschen. Und Journalisten sind auch nur Menschen.