Michael Ley hat ein neues Buch geschrieben:
Die letzten Europäer. Das neue Europa, Osnabrück 2017
ISBN 978 3 00 055876 4
Wenn es darum geht, die Apokalypse zu beschreiben, so geht es natürlich nicht um wissenschaftliche Prognosen, sondern darum, die Bedrohungsszenarien in schwarz-weiß oder in grellen Farben darzustellen, kurz den Teufel an die Wand zu malen. Michael Ley geht einen Schritt weiter. Er nennt den Teufel beim Namen: Angela Merkel.
„Angela Merkel ist – nach Adolf Hitler – die größte Rechtsbrecherin der neueren deutschen Geschichte: Als mächtigste Politikerin Europas öffnete sie alle Tore für die Islamisierung des Kontinents und gefährdet dadurch den Bestand der europäischen Zivilisation.“ (S. 101)
Wer der Verantwortung Deutschlands für das komplexe Versagen der vergangenen zehn Jahre einen einzigen Namen gibt – Angela Merkel – der sollte zumindest ein Kapitel der Frage widmen, welche Politik Merkel, die seit 2005 Bundeskanzlerin ist, macht. Der sollte erklären, welche konkreten politischen Entscheidungen Merkels zu dem Desaster geführt haben, in dem sich Europa heute befindet. Allerdings findet sich im aktuellen Buch des Politikwissenschafters Michael Ley nicht einmal ein einziger Absatz über das Politikverständnis von Angela Merkel.
Diesen Absatz will ich hier nachholen:
Die Politik von Angela Merkel ist eine Politik der kleinen Schritte. In diesem Sinne ist sie in Europa wohl die erste, die Karl Poppers Philosophie in Politik gegossen hat. Zur Erinnerung: die offene Gesellschaft zeichnet sich laut Popper dadurch aus, dass sie keine alles überragenden Ideen verfolgt, was zwingend zu Ideologien und zu totalitären oder zumindest autoritären Regimen führen muss. Die Alternative dazu – sofern wir keinen Stillstand sondern Fortschritt wollen – ist die Politik der kleinen Schritte. Jahrelang hatte ich den Verdacht, das sich die Politik von Merkel nach dem Wind dreht. So kann man ihre Arbeit negativ beurteilen. Positiv bewertet entspricht ihr Taktieren und Manövrieren aber genau der von Popper empfohlenen Politik der kleinen Schritte.
Da Merkel nie eine große Idee verfolgt hat, fehlt ihr logischer Weise auch die große Strategie. Aber mit ihrem Taktieren als Politikprinzip hat sie offenbar in den meisten Fällen die Interessen der Mehrheit der Deutschen vertreten. Das zeigen die Wahlergebnisse, die wir wohl anerkennen müssen, wenn wir uns als Demokraten verstehen. Dass Merkels Taktieren in Einzelfällen auch zu großen Ergebnissen führen kann, zeigt das Beispiel Fukushima.
Nur eine Woche nach der japanischen Atomkatastrophe hat die Kanzlerin ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die vorzeitige Abschaltung der Deutschen Atommeiler vorsieht. Wendehals-Politik könnte der Bundeskanzlerin jeder an der Stelle vorwerfen, der zu Recht daran erinnert, dass Merkel auf Druck der deutschen Atomlobby nur wenige Monate davor einer Verlängerung der Laufzeiten zugestimmt hat. Das entsprechende Gesetz war am 11. März 2011, dem Tag des Reaktorunfalls, bereits in Kraft.
Aus dieser Kurzanalyse der Politik Merkels ziehe ich den Schluss, dass sie ihren berühmt-berüchtigen Satz „Wir schaffen das“ in dem Bewusstsein geäußert hat, dass Deutschland in der Demokratiepolitik, in der Friedenspolitik und in der Flüchtlingspolitik versagt hat (Erläuterungen dazu siehe ausführliche Rezension) sich aber nicht leisten kann, nun auch noch in der Integrationspolitik zu versagen.
Denn an dem Punkt kam die Nazi-Vergangenheit Deutschlands, in der den Juden und anderen Minderheiten ihr Menschenrecht nur aufgrund ihrer Herkunft oder Abstammung verweigert wurde, in den Entscheidungsspielraum der Kanzlerin. Die Beschwörung, dass sich so etwas nie wieder in der Geschichte Deutschlands wiederholen dürfe, wurde längst zur Maxime aller Deutschen, und daher auch zur Maxime von Merkels Entscheidung in der Flüchtlingsfrage.
Man sollte nicht vergessen: Merkel hat gesagt, „wir schaffen das“, nachdem bereits hunderttausende Flüchtlinge in Deutschland und weitere hunderttausende auf der Balkanroute waren. Sie hat nicht gesagt: „wir schaffen das, liebe Flüchtlinge, bitte kommt doch endlich zu uns. Wir brauchen nichts dringender als eine Frischzellenkur.“ Wer Merkels Diktum zur Ursache der Flüchtlingswelle erklärt, der muss dieser Logik folgend auch behaupten, Merkel sei Schuld an der Atomkatastrophe von Fukushima, ja sogar am Tsunami.
Die Flüchtlingswelle – das ist Deutschlands Fukushima.
Das Versagen der europäischen Demokratiepolitik, Friedenspolitik und Flüchtlingspolitik – das ist der Tsunami, der die Flüchtlingswelle ausgelöst hat. Ausgelöst – nicht verursacht. Natürlich ist Europa nicht daran Schuld, dass die Krisenländer, aus denen die Flüchtlingswellen nach Europa überschwappen, an Meeresküsten liegen und somit Tsunami-gefährdet sind.