„Norbert Hofer will Österreich-Konvent neu starten“. Mit dieser OTS-Aussendung hat der Dritte Nationalratspräsident am 28. November, einen Tag vor „seiner“ ORF-Pressestunde versucht das Thema vorzugeben. Angesichts des Scheiterns des Österreich-Konvents, der von Juni 2003 bis 31. Jänner 2005 (unter Regierung Wolfgang Schüssel II VP-FP/BZÖ) vergeblich versucht hat, Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform zu entwickeln, klingt das wie eine Drohung!

fpoe/Hofer www.fpoe.at

Nach seinem Scheitern ist der Ö-Konvent sang und klanglos von der politischen Bühne verschwunden ist. Warum ist er gescheitert? Das ist schwer zu erklären, denn alle Politiker, genauer gesagt alle Ex-Politiker sind der Überzeugung, dass wir eine Verfassungsreform brauchen. Woran gescheitert? Das ist leicht zu erklären: an den amtierenden Räten unserer Räte-Republik!

Karl Lengheimer, ein hochkarätiger ÖVP-Politiker, veröffentlichte 2012, nur zwei Jahre nach seiner Pensionierung, Einblicke in die politische Wirklichkeit. Als Mitglied des Österreich-Konvents verrät er Insiderwissen: „Im Österreich-Konvent wurde mehr über juristischen Verfassungstext und weniger über politischen Verfassungszweck diskutiert. Man verhedderte sich monatelang in Verfahrensfragen, wer was mit wem bestimmen dürfe. Bund und Länder waren ängstlich darauf bedacht, ihren Besitzstand zu wahren und wenn möglich zu vermehren. Das Beharren der Bundesvertreter auf unbedeutende Zuständigkeiten ihrer Minister rief bisweilen selbst bei den teilnehmenden Verfassungsprofessoren verwundertes Kopfschütteln hervor.“ (Politgebiete, S. 140)

Über die „dringend nötige Reform des österreichischen Bundesstaates“ schreibt er unter anderem: „Die Landtage hätten sich nur auf die Vertretung ihrer Landesbürger zu konzentrieren. Diese Aufgabe besteht nicht darin, EU-Richtlinien neunmal mit ein paar geänderten Wortwendungen für jedes Land eigens zu beschließen, weil das die Kompetenzverteilung aus 1925 so vorsieht. […] Die durch neue Staatsaufgaben und durch das Eindringen des EU-Rechtes längst überholte horizontale Aufteilung der Gesetzgebungsbefugnisse aus dem Jahr 1925 wäre durch eine vertikale zu ersetzen.“ (Politgebiete S. 140 f)

So gesehen kann es nur als Drohung verstanden werden, wenn Hofer die Einsetzung eines Gründungskomitees vorschlägt, „das gleich zusammengesetzt sein soll wie im Jahr 2003. … Es folgt die Festsetzung der Expertengruppe und der einzelnen Ausschüsse. Die Tagungen sollen transparent stattfinden und es muss auch eine Bürgerbeteiligung möglich sein.“ Die „Experten“ kommen gemäß unserer Realverfassung aus den Kammern, vielleicht ein paar UNI-Professoren – jedenfalls Personen, die in staatstragenden Funktionen vom Staat und den Parteien abhängig sind und a priori nicht die Freiheit haben, das System gegen bestehende Staatsinteressen zu reformieren. Die von Hofer geforderte „Bürgerbeteiligung“ ist in der Konstruktion nicht mehr als ein Feigenblatt.

Die mehrfache Betonung der Transparenz ist dagegen ein Eingeständnis, dass in der bestehenden politischen Praxis ein elementarer Grundsatz der Demokratie, nämlich Offenheit, nicht verwirklicht wird. „Der Dritte Nationalratsräsident plädiert außerdem dafür, das Parlament als Vertretung der Österreicherinnen und Österreicher zu stärken.“ Das ist – aus der Position des Dritten Nationalratspräsidenten – ein Eingeständnis seiner eigenen Unfähigkeit.

Der langjährige Parlamentarier (Abgeordneter seit 2006, Dritter Präsident bereits von 2013-2017 und wieder seit 2019) hätte schon bislang dafür sorgen können, dass der Artikel 56 des B-VG eingehalten wird. Der lautet: „Die Mitglieder des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates sind bei der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden.“ Der von allen Parteien ausgeübte Klubzwang ist die Ursache für die systematischen Schwächung des Parlaments. Die FPÖ hätte diese Praxis schon lange in ihren eigenen Reihen revidieren können. Hofer als Nationalratspräsident hätte dieses Thema schon lange, wenn notwendig auch immer wieder aufs Tapet bringen können.

Resümee: Ja, wir brauchen einen neuen Österreich-Konvent, der sich mit den Grundlagen unserer Demokratie, insbesondere mit einer grundlegenden Verfassungsreform beschäftigt. Dieser Konvent muss jedoch vom Souverän, also von den Bürgern dieses Landes getragen werden, nicht von den Systemerhaltern, die unsere Demokratie in den vergangenen Jahrzehnten in die Sackgasse geführt haben. Mehr über die Schwächen der bestehenden Verfassung siehe: Baustelle Parlament.

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

pirandello

pirandello bewertete diesen Eintrag 02.12.2020 17:15:09

Dieter Knoflach

Dieter Knoflach bewertete diesen Eintrag 02.12.2020 14:59:29

2 Kommentare

Mehr von thurnhoferCC