Üblicher Weise verkünden die Veranstalter von Charity-Auktionen: die Reinerlöse kommen dem guten Zwecke zugute! Aus der Ecke des Misanthropen frage ich: und was passiert mit den unreinen Erlösen dieser Auktionen und Aktionen? Sicher ist: je größer ein Charity-Projekt, umso weniger kommt bei den Zielgruppen an. Ich kenne Projekte, die 200.000 Euro Kosten verursachen und am Ende einen „Reinerlös“ von 2.000 Euro erwirtschaften.

Laut Armutskonferenz lebt jeder achte Österreicher an der Armutsgrenze und nach meiner Einschätzung jeder zweite Künstler. Dieser untragbare Zustand schreit nach Strukturmaßnahmen, nicht nach Licht ins Dunkel! Internationale Wirtschaftswissenschafter und sogar die IWF-Chefin Christine Lagarde haben dies mittlerweile erkannt, denn exzessive Ungleichheit „hemmt das Wachstum, zerstört Vertrauen und befeuert politische Spannungen“. (Zitiert nach: „Im Teufelskreis“, Wiener Zeitung 9./10.12.2017).

Es ist an der Zeit, systemisch und systematisch über Umverteilung nachzudenken. 100 Jahre nach der Oktoberrevolution kann sich kein moralisch und politisch engagierter Mensch wünschen, dass Revolutionäre auf den Spuren Lenins die Umverteilung in die Hand nehmen. Um die Frage der Umverteilung nicht nur akademisch und in politischen Sonntagsreden zu thematisieren, muss der Begriff endlich entstaubt werden.

Jede Form der Wirtschaft ist eine Form der Umverteilung. In den 70 Jahren der Sowjetunion haben wir gesehen, dass der Kommunismus aufgrund seiner restriktiven Fünfjahrespläne in einer äußerst ineffiziente Form der Umverteilung stagniert ist. Die Umverteilung hat in die Sackgasse geführt. Fast 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs müssen wir erkennen, dass die Umverteilung im grenzenlosen Kapitalismus in eine Einbahnstraße geführt hat: einzig und allein von unten nach oben! Niemand Geringerer als Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat dies in seinen Büchern scharf kritisiert. Ob Sackgasse oder Einbahnstraße – jedes System, das festgefahren ist, muss sich von innen öffnen oder wird von außen aufgebrochen.

Soll ein gewaltsamer Bruch mit dem bestehenden System verhindert werden, muss die Umverteilungs-Diskussion von einer Wertediskussion ausgehen. Die bisherigen Bewertungen bestimmter Leistungen, ebenso wie die unbegrenzten Möglichkeiten der Plutokraten (die Privilegien für das eine Prozent, die Stiglitz kritisch unter die Lupe nimmt), dürfen nicht weiter bestehen, wenn sich die Einkommensschere wieder schließen soll. Wer das als Aufruf zu einer Revolution versteht, der versteht mich richtig. Aber es ist kein Aufruf zum Leninismus, sondern im Gegenteil: der Aufruf zu einer moralischen Revolution mit gesellschaftspolitischen Konsequenzen.

sisterect www.thurnhofer.cc

„Adlerschnäuzchen“, Bild von unserer fuf-Schwester sisterect, das derzeit im KUNSTRAUM, 1010 Wien, ausgestellt ist.

Siehe auch:

Charity? Nein Danke!

und

Nie wieder Charity!

3
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

sisterect

sisterect bewertete diesen Eintrag 14.12.2017 16:18:44

Markus Andel

Markus Andel bewertete diesen Eintrag 14.12.2017 12:59:59

Gazmend Freitag

Gazmend Freitag bewertete diesen Eintrag 14.12.2017 12:08:32

14 Kommentare

Mehr von thurnhoferCC