Leoben – Kapfenberg, des is Brutalität! Das hätte Qualtinger gesagt, würde er sich heute mehrere Stunden in die Fußgängerzonen dieser Städte setzen, um folgender Frage auf den Grund zu gehen: wo genau zwischen der Haustür im Gemeindebau und der Raucherzone vor dem Shopping-Center verwandelt sich der Mensch in ein Rädchen der Masse, das auf das Plakat „Liste Madeleine Petrovic“ mit einer Hasstirade reagiert: „dxx gxxx sxxxx axxxx“, und sich dann umgehend outet: „I wöö FPÖ!“

Hubert Thurnhofer ethos.at

Es liegt mir fern, die FPÖ dafür schuldig zu sprechen, dass es solche Auswüchse der Gesellschaft gibt. Aber es ist die Verantwortung der FPÖ, dass sie solche Auswüchse befördert: mit all ihren Wahlkampfauftritten vom Aschermittwoch bis zu den Bierzelten im ganzen Land. Und es ist die Verantwortung der FPÖ, dass sie solche Auswüchse nicht verhindert; z.B. dadurch, dass sie ihre eigenen Mitarbeiter entsprechend schult (dafür hätte sie Millionenbeträge aus der Parteiakademie), oder dass sie Therapiezentren finanziert, wo solche Menschen behandelt werden (dafür könnte sie einen kleinen Teil der zweistelligen Millionenbeträge, die sie jährlich an Parteienförderung kassiert, verwenden). Ja, es gibt Menschen, für die politische Aufklärung der Liste Petrovic zu spät kommt, weil sie bereits so krank sind (vom bestehenden System krank gemacht wurden), dass sie einen Therapeuten brauchen. Aber das ist ein anderes Thema, hier geht es um Leoben, wo ich ein paar Tage nach Kapfenberg Station gemacht habe.

Der halbe Hauptplatz war eine Baustelle, so dass für das LMP-Banner nur vor einem Sandhaufen Platz war. Der Morgen beginnt mit einem Erfolgserlebnis. Eine Corona-Kritikerin, die schon GGI unterstützt hat, obwohl – nein, weil sie drei mal geimpft wurde, erzählt mir ihre Geschichte. Sie musste sich impfen lassen, weil sie sonst aus dem Altenheim, in dem ihre Mutter untergebracht ist, ausgesperrt worden wäre. Soviel zur „Solidarität“ mit den Alten. Nach einer halben Stunde frage ich vorsichtig, ob sie auch ihre Unterstützungserklärung dabei habe. Die unverblümte Antwort: „Nein, ich bin Kommunistin und musste daher für die KPÖ unterschreiben. Aber ich werde euch weiterhin unterstützen.“ Ich versuche bei der Verabschiedung freundlich zu bleiben, aber ein Lächeln, das sich die NLP-dressierten Teflonpolitiker bei jeder Gelegenheit auf die Lippen heften, kann mir nach so einer Geschichte nicht gelingen. Nachsatz: die KPÖ hat in Leoben fünf Gemeinderäte, ebensoviele wie die ÖVP. Die SPÖ führt mit 16, FPÖ und Grüne je zwei; und Walter Reiter vertritt eine Bürgerliste.

Zwei gnadenlose Stunden auf der Baustelle Hauptplatz vermitteln mir das Gefühl, ich sei in einem Tunnel. Denn der Tunnelblick ist der häufigste Gesichtsausdruck der Menschen, die den Leobner Hauptplatz passieren. Auch ein Marktplatz hat in einer Seitenstraße geöffnet. Nicht besonders stark frequentiert, sodass noch Zeit für Gespräche mit den Standlern bleibt; auch Zeit für ein Jausenbrot mit deftigem Speck und Kren. Der Standbetreiber, ein Bauer aus der Gegend, hört sich meine kurze Rede über die Liste Petrovic regungslos an. Nachdem ich mein Jausenbrot bezahlt habe, zeigt er doch eine Regung: er nimmt meine Visitkarte von der Budel und schmeißt sie vor meinen Augen in den Mistsack.

Ich zieh Leine und dreh ab in grünere Gefilde an der Mur. Dort befindet sich das Cafe Styria und auch der Wirt persönlich ist da. Der legendäre Wirt, der zu Zeiten von 2G und 3G die Polizei aus seinem Cafe verwies und die Gäste ohne Maske bewirtete. Monika Donner hat hier im August 2021 ihr Buch „Corona-Diktatur“ vorgestellt. Ein längeres Gespräch mit dem Wirten entschädigt für die vielen gehässigen, zurückweisenden Blicke auf dem Hauptplatz, wo sinnerfassendes Verstehen nur noch selten anzutreffen ist: Kennen Sie die Liste Petrovic? „Nein, danke!“ Neindanke Demokratie, oder neindanke Petrovic?

„Die Masse ist zu Dumm für die Demokratie“, war und ist immer wieder vom Volk zu hören. Sind jene, die im Besitze dieser Erkenntnis sind, nicht Teil der Masse? Wo auf dem Weg zwischen individueller Erkenntnis und Wahrnehmung der Massen verwandelt sich der Mensch in ein Rädchen der Masse? Ein Rädchen, das sich schneller dreht – genauer gesagt: das sich schneller drehen lässt, als die Polizei erlaubt.

Diese Frage konnte ich mit den zwei jungen Polizisten, die zu Mittag vor meinem Plakat aufgetaucht waren, nicht klären. Allerdings habe ich von ihnen erfahren, dass am Abend auf dem Hauptplatz ein Konzert stattfinden würde (auf der Seite des langgestreckten Platzes, wo keine Baustelle störte). Deshalb dürfe, so das Tourismusamt, keine weitere Veranstaltung an diesem Tag an diesem Ort stattfinden. Auch nicht am anderen Ende dieses Ortes. Ich wollte ohnehin nach einem Mittagessen das Banner abbauen und abfahren. Ob ich denn nicht vor meiner Mittagspause den Abbau erledigen könnte? Diese höflichst vorgetragenen Bitte konnte und wollte ich nicht zurückweisen. Noch bevor ich fertig war, waren die beiden Behördenvertreter wieder weg.

Geblieben ist die Frage: welche Legitimation hat das Tourismusamt einer Stadt, eine politische Versammlung, die selbstverständlich polizeilich gemeldet war, zu untersagen? Nach kurzer Überlegung bin ich mir sicher: in unserer Verfassung steht nix davon! Bei weiterer Überlegung komme ich zum Schluss: das Tourismusamt hat mit Sicherheit keine Verfügungsgewalt über öffentliche Plätze einer Stadt. Diese kann bestenfalls der Bürgermeister haben.

So könnte es gelaufen sein (Vorsicht, Verschwörungstheorie!): dem SP-Bürgermeister steckt ein Genosse, dass sich auf dem Hauptplatz, also am Nabel der Stadt, eine fremde Partei eingenistet hat, die Liste Madeleine Petrovic. Da muss man sofort einschreiten! Da der Bürgermeister kein Idiot ist, weiß er ganz genau, dass das nicht möglich, ein Verbot der Versammlung nicht in seinen Befugnissen steht. So lässt er seine Sekretärin beim Tourismusamt anrufen um der Leiterin des Amtes zu erklären: „Da behindert jemand von der Liste Petrovic die Vorbereitungen für das Konzert heute Abend. Schau, dass die so schnell wie möglich weg kommen.“ Die Leiterin des Amts sagt: „Was soll ich da machen?“ Die Sekretärin des Bürgermeisters sagt: „Ruf bei der Polizei an, dafür ist sie ja da“. (Ende der Verschwörungstheorie.) Der Rest ist bekannt.

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Kuglfisch

Kuglfisch bewertete diesen Eintrag 30.07.2024 20:52:50

2 Kommentare

Mehr von thurnhoferCC