Derzeit kursiert im Netz die Info, dass die EU im nächsten Jahr den E-Euro einführen will. Daraus leiten viele das Gerücht ab: „2022 wird das Bargeld abgeschafft“. Die Gerüchteküche brodelt weil offenbar niemand so genau weiß, was eigentlich ein E-Euro sein soll. Was ist ein E-Euro? Eine exakte Definition konnte ich bislang nicht finden.
Hubert Thurnhofer thurnhofer.cc
„Der digitale Euro wird kommen: Schon Mitte 2021 soll das Zahlungsmittel in mehreren Regionen der EU getestet und 2022 dann flächendeckend eingeführt werden…. Der E-Euro wird dabei direkt von der EZB ausgegeben; Nutzerinnen und Nutzer wären also nicht mehr zwingend auf Finanzinstitute angewiesen. So könnten beispielsweise die Folgen extremer Ereignisse wie Naturkatastrophen abgefangen werden, wenn andere Zahlungsdienste nicht mehr funktionieren“, schreibt die auf IT-Themen spezialisierte Plattform T3N.
Der E-Euro als Zahlungsmittel direkt ausgegeben von der EZB, das klingt nach einer neuen Währung. Der E-Euro als Parallel-Währung zum Euro? E-Dollar parallel zum Dollar, E-Yuan parallel zum Yuan? Die ominöse Aussage „Naturkatastrophen können abgefangen werden, wenn andere Zahlungsdienste nicht mehr funktionieren“ ist abstrus hoch zwei. Ein Zahlungsmittel kann „Naturkatastrophen abfangen“? Wie kann es funktionieren wenn andere nicht funktionieren, und wie genau funktioniert die Rettung vor einer Naturkatastrophe durch ein Zahlungsmittel?
Ein anderer Dienst für Nerds, giga.de, schreibt: „Vorteile des E-Euros liegen etwa in der einfachen Nutzung für digitales Bezahlen. Hier geht es in erster Linie um Machine-To-Machine-Payment (M2M) und weitgehende Vernetzung im Internet of Things. Beispielsweise können Smart-Home-Geräte eigenständig einkaufen, E-Autos zahlen automatisch den geladenen Strom ohne menschliche Autorisierung.“ Vom Kühlschrank, der „selbstständig“ einkauft, lese ich schon seit mindestens 20 Jahren. Und vermutlich wird dieser Nonsense auch in den kommenden 20 Jahren noch häufig verbreitet.
Jedenfalls wäre E-Euro nach diesem Verständnis keine neue Währung, sondern eine neue Transaktions-Technologie für Zahlungsprozesse. Dass diese Technologie von der EZB entwickelt und von der EZB direkt vermarktet wird (nicht über den Umweg der Geschäftsbanken), ist keine direkte Bedrohung des Bargeldes. Möglicher Weise aber eine Kompetenzüberschreitung der EZB – wer weiß das schon so genau in Zeiten wie diesen? Die Initiative der EZB stellt daher meines Erachtens weniger das Bargeld in Frage, als vielmehr die Existenzberechtigung der Privatbanken. Mehr dazu: Die Alchemie der Finanzen
Alle, die glauben, allein das Bargeld sei die letzte Nische, die uns vor der absoluten digitalen Kontrolle retten könne, kann ich beruhigen: das Bargeld wird nicht abgeschafft, es wird sich selbst abschaffen, weil es einfach irgendwann überflüssig wird. Das ist noch nicht 2022, das könnte aber schon 2032 sein. Mit Sicherheit aber 2052. Mehr dazu: Wozu Bargeld?