Finis Noxx

Singen Sie gerne?

Sollten Sie aber wenn Sie einen Hund haben, der sich im Auto gebärdet als wäre Satan persönlich hinter ihm her, sobald der Motor startet.

Drehen wie ein Kreisel auf der Rücksitzbank (Ja, ich höre das Publikum schon weise Worte murmeln wie „Deshalb gehört das Tier auch in eine Box gesperrt!“) war unsere leichteste Übung, mit allen Vieren gegen die Fensterscheibe zu springen an der Tagesordnung. Sich mit der Breitseite gegen die Türe zu werfen kostete mich nach ein paar Tagen nicht mal mehr ein Achselzucken, fragen Sie mich bitte nicht, wie das Auto innen ausgesehen hat. Als es vor kurzer Zeit seinen Geist für immer aufgab lag das aber nicht am Hund, sondern am Motor, der einen Schaden hatte.

Böse Zungen könnten da jetzt ein Wortspiel draus machen und flüstern, dass vielleicht eventuell möglicherweise auch der Hund einen hätte.

Klar hatte er! Menschen hatten ihm den zugefügt.

Er wurde ausgesetzt, eingefangen, in einem leeren Haus zurückgelassen, vier Jahre irgendwo in der Puszta in einem dreckigen Außenzwinger in Einzelhaft gehalten, von einem LKW angefahren und dergleichen mehr. So gesehen hält sich sein Schaden eigentlich erstaunlich in Grenzen. Menschen mit dieser Vorgeschichte wären wahrscheinlich reif für die geschlossene Anstalt.

Als man mir vor sechs Jahren das andere Ende der Leine in die Hand drückte, hat man mich leider weder darauf vorbereitet, was der Hund mochte, noch was er nicht mochte. Es wäre in der Tat nett gewesen mir zu sagen, dass er so gut wie nichts mochte. Auch sein Fressen nicht. Fressen wollte er hauptsächlich andere Hunde. Und zwar alle anderen Hunde, die größer als das durchschnittliche Paris Hilton-Hündchenformat waren und alle anderen, die sich nicht augenblicklich unterwürfigst vor ihm auf den Rücken warfen sowieso. Irgendwann bekam ich dann auf der ungarisch-deutschen Vermittlungsseite durch Zufall heraus, dass er „ein Problem mit Rüden hat“. (Was ich so nicht bestätigen kann. Er mag auch keine Rüdinnen.) Ach ja, von Katzen stand auch was im Text. Im eher Kleingedruckten war zum Schluß von „Nur in sehr erfahrene Hände abzugeben!“ die Rede. Auch die Hände hätten sehr gerne vorher davon gewußt.

Das alles las ich erst Wochen später. Zu spät. Snow can burn your eyes, but only people make you cry. Do I know where hell is? Hell is in hello; Heaven is goodbye forever, its time for me to go.

So begab es sich, dass man mir einen völlig unbekannten Hund mit völlig ungeahnten Qualitäten in dieser eisigen Jännernacht überreichte- und wortlos abfuhr.

Ich stand da. Mit einem fremden Tier, das sich nicht einmal über die Schwelle ins Haus hineinwagte.

Er hatte Angst.

Nur vor mir nicht. Vor mir haben Hunde keine Angst. Ich strahle etwas aus, was sie zu mir kommen läßt, wenn sie Schutz suchen. Keine Ahnung wieso, aber es ist so. Es war schon immer so. Und so konnte ich ihn letztendlich davon überzeugen, doch nicht draußen zu übernachten (es schneite und war eiskalt). Endlich drinnen, küsste er sehr vorsichtig mein Gesicht und saß ruhig neben mir; aufmerksam, erschöpft und in sein Schicksal ergeben.

Das rührt echt sehr ans Herz. Ich habe schon so oft gesehen wie Hunde sich in ihr Los fügen, komme was wolle. Mit traurigen Augen sehen sie den fremden Menschen an, der sie irgendwo hinbringt, ins Ungewisse, in eine vielleicht furchtbare Zukunft, basierend auf einer noch furchtbareren Vergangenheit. Sie gehen dennoch brav mit. Sie können nicht wissen, dass hinter der neuen Türe ein schöneres Leben vor ihnen liegt in dem nur noch Gutes passiert. (So sie nicht unglücklicherweise bei einem Millanista landen.) Sie kennen nur das Böse vom Menschen deshalb wurden sie so, wie sie sind. Voller Furcht. Und dennoch so unendlich vertrauensvoll. Trotz dieser großen Angst. Angst isst die Seele auf. Mein Hund machte da keine Ausnahme. Auch im Auto nicht. Angst! Angst! Angst!

Who needs a heart when a heart can be broken?

Ich probierte das kurz mit der Box im Auto. Die Box wanderte nach der ersten und einzigen Fahrt nach 500 Metern ins Geschäft retour. Der Hund dachte in der Box wahrscheinlich sein Ende naht, er fiepte und wimmerte in Todesangst. Stehenbleiben, Hund aus der Box befreien und Box wegräumen war eins. Wir fuhren ohne Box weiter. Er tobte, drehte sich und sprang gegen die Scheiben. Das war mein Junge!

Und ich begann zu singen.

„Row, row, row your boat“ eignet sich ganz hervorragend für diesen Zweck. Wenn Sie einen Beifahrer haben können Sie das auch zweistimmig singen. Nun singe ich nicht so bewegend, dass es für den ersten Platz bei DSDS reicht. Aber ich singe auch nicht schlecht genug um mit Menderes Duette aufzunehmen.

„Gently down the stream“, und Ruhe war im Auto.

Kein Springen, kein Drehen, kein Toben.

Merrily, merrily, merrily, merrily, life is but a dream!

Mit einer Ausnahme: Werden andere Hunde aus dem stehenden oder fahrenden Auto gesichtet, könnte ich auch heute noch die Wahnsinnsarie anstimmen, der Feind muss terminiert, die Grenzen abgesteckt, das Auto und mein Leben, unsere beiden Leben, verteidigt werden. Damit kann ich aber leben. Gut und gerne. Da nutzt weder der einlullende Gesang von Blonder Ärztin noch meiner wenn der Hund hinter dem Autofenster vierbeinige Fellfeinde anbrüllt. Ich interpretiere das mal freihändig als „I, I will be king and you, you will be queen. Though nothing will drive them away! We can beat them, just for one day...“

Überhaupt nimmt mein Hund, nennen wir ihn Kleiner Wolf, da ich aus Datenschutzgründen seinen wahren Namen niemals preisgebe, seine Aufgabe als Bodyguard sehr ernst. Was nicht schlecht ist in Zeiten wie diesen, wo Hausfrauen mit Labradors an der Leine in Parks vergewaltigt werden.

Mir würde niemals jemand böses antun mit dem grauen Wächter an meiner Seite.

Auch das Auto stiehlt mit Sicherheit keiner sobald die vierbeinige Alarmanlage an ist.

Das ist doch das bisschen Gesang wert, oder?

Da draußen in den unendlichen Weiten des Internetzes gibt es jetzt sicher ein paar Hundekundige, die denken: Was soll der Mist! Wozu sollen wir singen, wenn doch auch wegsperren geht? Er wird sich schon dran gewöhnen, der Hund! Da muss er halt durch!

Dazu möchte ich an dieser Stelle den wunderbaren Spruch einfügen: Nicken, lächeln, Arschloch denken. Eignet sich fast für alle Gelegenheiten, meist lasse ich aber das Nicken einfach weg. Und lächeln schadet ja nie.

Probieren Sie es einfach aus! Singen kostet nichts. Ois vergeht, komm trink a Bier, des ganze Leben besteht aus nehma und viel mehr gebn...

Nach nur ein paar Wochen fuhren wir gelassen und entspannt durch die Straßen, kein Gebrüll mehr bei vorbeifahrenden Autos, LKW oder Mopeds.

Heute liebt mein Hund sein Auto, er will am Liebsten nicht mehr Gassi gehen, sondern Gassi fahren. Aussteigen ist nur mit Überredungskünsten möglich. (Außer ein Hund geht vorbei. Dann bin ich aber klug genug, die Türe geschlossen zu halten.)

Warum das geklappt hat?

Weil Musik keine Grenzen kennt, die Sprache der Herzen ist. Musik verbindet auch die unterschiedlichsten Arten: die, die vom Affen abstammen und jene, die vom Wolf abstammen. Musik ist international.

Fliegen können wäre schön; all die Steine und die Sackgassen umgehn...

Wie heißt es doch so treffend?

Wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen kennen keine Lieder.

Dazu passen ganz wunderbar diese Zeilen: Keep smiling, keep shining, knowing you can always count on me, for sure: That's what friends are for! For good times and bad times I'll be on your side forever more.

Keine Bange, ich singe jetzt nicht öffentlich. Das kann die wunderbare, fabelhafte Dionne Warwick doch viel besser.

Thats what friends are for!

Bis nächsten Samstag in diesem Kino, bleiben Sie gesund und uns wohlgesonnen!

Herzlichst, Bela Wolf

Tierarzt, Journalist, Autor

www.tierarzt-wien.com

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Ich bitte um Verständnis, dass ich hier keine Kommentare unter diesem Blog zulasse. Ich finde Bemerkungen wie "Tiere kenne ich nur auf dem Teller" und ähnliches Geschwätz nicht besonders erheiternd und meine Zeit ist zu kostbar, um sie mit löschen selbiger Kommentare zu verbringen.

Wer mit mir in Kontakt treten möchte kann dies gerne auf meiner Facebook-Seite tun, mir auf FischundFleisch eine private Nachricht senden oder mir via office@tierarzt-wien.com eine E-Mail schreiben. Danke!

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