Finis Noxx
Immer der Nase nach! Oder?
Die Welt der Hunde wird dominiert von Gerüchen; nur der Mensch ist ein optischer Typ.
Stehen bleiben, um in Ruhe ausgiebig zu schnüffeln ist wichtiger und wertvoller für unsere Hunde, als möglichst schnell eine möglichst lange Runde zu drehen und dabei zielstrebig von A nach B zu gelangen.
Qualität vor Quantität!
Mein ehemaliger Zwingerhund musste das erst wieder lernen. Und einige Hundehalter da draußen sollten auch schleunigst wieder lernen, ihrem Fellfreund das Leben zu bieten, das ihn glücklich macht.
Selbst predigen wir von Ent-schleunigen, Verlangsamen und Innehalten, aber unsere armen Haushunde drehen wir unentwegt voll auf als wären es Rennboliden, denen man vor dem Qualifiying noch mal so richtig in die Pedale steigen muss. Allein wenn man in diversen Höllenforen mitliest (was selten, aber doch geschieht, meist, wenn mich ein Freund auf etwas aufmerksam macht) und die geplagten Augen Sätze sehen müssen wie „Muss rassespezifisch gefordert werden! Braucht nach Vermittlung gründliche Unterordnung! Will ausgelastet und hart gearbeitet werden!" möchten sie sich freiwillig schließen.
Hart arbeiten sollte mancher Mensch an der Vergrößerung und Weiterbildung seines Erbsengehirns, welches täglich gegen Null zu schrumpfen scheint. Hunde brauchen 18 Stunden Schlaf, sie wollen nicht ständig mit anderen spielen, sie wollen nicht an der Leine im Trab neben einem Fahrzeug herrennen oder joggend über Betonwege oder Laufbänder galoppieren.
Sie wollen, und das ist ihr wahres Wesen, ihre Bestimmung, ihre Natur, stehen bleiben, ankommen, riechen. So wie wir gerne in einer gepflegten Hotellobby oder einem gemütlichen Kaffeehaus sitzen und Zeitung lesen möchten. (Was in diesem Format wahrscheinlich nur der Wiener kennt.) Was bekommt der Hund stattdessen?
Er bekommt einen hektischen Coffee to go aus dem Automaten, viel zu heiß, viel zu süß, viel zu schnell! Friss oder stirb!
Und dann wundern wir uns, warum unsere AUSGEPOWERTEN, AUSGELASTETEN, STETS HART GEARBEITETEN Tiere ständig krank sind.
Wir manchen sie krank.
So geschah es auch mit meinem Hund. Er mutierte zum Vorzeigehöllenhund und einer musste das dann ausbaden. Dieser Eine war wohl ich.
Draussen lag eine neue schöne Welt, die ich mit ihm erkunden wollte, aber wenn man in Panik verfällt sobald man das sichere Haus verlässt, kann man nichts erkunden. Gar nichts.
Nichts wollte der Hund lieber als hinausstürmen, und draußen wollte er nichts lieber als planlos loszurennen, egal wohin, links, rechts, weg oder im Kreis, Hauptsache geradeaus. Ohne zu riechen, ohne zu schnüffeln, nur weg, planlos, kopflos; furchtbar anzusehen wenn man weiß, wie sich normale Hunde verhalten.
Es gab kein stehenbleiben und schnüffeln, Gerüche interessierten ihn damals nicht die Bohne.
In dieser heißen Phase traf ich zufällig eine Frau, die mir die Geschichte von ihrem ehemaligen Zwingerhund erzählte. Sie meinte, der wäre so in etwa wie meiner gewesen und es hätte vier Jahre gedauert bis er wieder zum halbwegs alltagstauglichen Hund wurde.
Ich lächelte sie damals mild an.
Vier Jahre!
Wir würden das doch locker in ein paar Wochen schaffen. Gedauert hat es dann fast drei Jahre. Nach zwei Jahren konnte Kleiner Wolf hinausgehen und draußen am Laternenpfahl Nachrichten von Kollegen lesen, markieren und gelassen ein paar Minuten mit gesenktem Kopf seine Nase arbeiten und nachdenken lassen. (Solange keine anderen Hunde in Sichtweite waren. In dem Fall ging gar nichts mehr, rien ne va plus.)
Das war vorher undenkbar. Vorher schaute er nur panisch und wirr nach allen Seiten.
Wie wir das geschafft haben?
Wir gingen es ruhig an. Sehr ruhig.
Die ersten Wochen verließen wir kaum das Haus, der Hund hielt sich hauptsächlich im Garten auf, wo er auch auf's Klo gehen konnte.
Das mit der Toilette war überhaupt so eine Sache: Selbst nach einer halben Stunde Spaziergang kam er nach Hause zurück um zielstrebig im Garten Kot abzusetzen. Auch das hörte irgendwann schlagartig ganz von selbst auf. Ich habe nichts dazu beigetragen ausser im Winter die tiefgefrorenen Haufen einzusammeln, im Sommer die warmen weichen. (An dieser Stelle oute ich mich als der, der die Haufen nach dem Waschbären warf, der in unserem Bezirk wildert und der ständig unsere Eichkätzchenkinder frisst. Ich denke, das ist legitim. Sorry, Nachbar! Und ich höre auch schon wieder die Unkenrufe der Damen, die mir erst neulich vorwarfen, meinen Hund zur Igeljagd zu animieren. Meine Güte. Ich bitte Sie, Igel kann man nicht jagen. Nicht mal der dümmste Hund jagt ein Tier, das sich sofort einrollt, anstatt fortzulaufen. Und der Verlust und die Trauer über die Wühlmausopfer am Feldrand hält sich wahrlich bei mir in überschaubaren Grenzen.)
Es gab keine Diskussion mit meinem Hund über das Kackthema im Garten. Jeder hat seine Macken. Er war eben so. Wenn es sein sollte, hätte ich es auch so beibehalten, mein Garten ist nicht der Garten Eden und Kleiner Wolf hat ohnehin seinen eigenen Grabebereich, der von Jahr zu Jahr auf mysteriöse Weise immer größer wurde. Bis uns nur noch eine kleine Terrasse mit Blumen blieb. Man wird bescheiden. (Aber das ist eine andere Geschichte, an der auch der gemeine Buchsbaumzünsler nicht ganz unschuldig war. Und dann war ohnehin schon alles egal.)
Dass es Menschen auf diesem Planeten gibt, die denken, sie retten bissige Hunde, indem sie diese von der Straße einsammeln und dann in einem Garten lebenslänglich wegsperren (besonders widerliche Exemplare machen diese ohnehin schon vorgeschädigten Tiere noch mannscharf, um sie dazu zu nutzen, ihr Hab und Gut bewachen zu lassen und sind auch noch stolz darauf!) macht mich immer wieder sehr betroffen.
Hunde sind zwar in der Regel Einzelgänger, aber das heisst nicht, dass sie gerne in Einzelhaft leben. Hunde sind soziale Wesen, die es lieben, draußen im Freien herumlatschen, sich in Gatschlacken wälzen, andere Hunde anzustänkern und auch mal Aas zu fressen.
Ein lebenslänglicher einsamer Aufenthalt in einem eingezäunten Grundstück ist nichts weiter als eine erweiterte Zwingerhaltung.
Können Sie sich das vorstellen, Gefängis bis in den Tod?
Selbst wenn es ein sehr schönes Gefängnis wäre: Auch ein goldener Käfig bleibt immer ein Käfig. Aber machen Sie das mal den Typen "vom Fach" klar. Es sind die gleichen Menschen, die es vorziehen, ihren ach so geliebten, geretteten Hunden die abgefaulten Zähne mittels Stock im Maul mit der Klempnerzange zu ziehen. Widerliche, brutale Exemplare, mit denen ich nichts zu tun haben will. Nicht mal virtuell. Gar nicht.
Offensichtlich gibt es zwei Klassen von Hundekennern; die, die ihre Hunde heillos überfordern und die, die sie gar nicht fördern.
Was ist gut und was ist böse?
"Jemand, der vollkommen zum Wesen von Gut und Böse erwacht ist, von dessen Wurzeln bis zu den Zweigen und Blättern, wird Buddha genannt.“
Nächsten Samstag geht unsere Geschichte weiter und wenn Sie mögen, sind Sie herzlich eingeladen, wieder mitzulesen.
Bleiben Sie gesund und uns wohlgesonnen!
Herzlichst, Bela Wolf
Tierarzt, Journalist, Autor
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Ich bitte um Verständnis, dass ich hier keine Kommentare unter diesem Blog zulasse. Ich finde Bemerkungen wie "Tiere kenne ich nur auf dem Teller" und ähnliches Geschwätz nicht besonders erheiternd und meine Zeit ist zu kostbar, um sie damit zu verschwenden.
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