Mal ehrlich: Finden Sie eine richtig dicke Katze wirklich schön?

Eine, die zehn bis zwölf Kilo auf die Waage bringt, sich nicht mehr bewegen kann, sich nicht mehr selbst putzen kann, eine die nicht mehr springen kann und nur hilflos in der Gegend herumsteht und Sie ansieht mit diesem Blick „Warum hast du mir das angetan?“

Experten schätzen, dass fast die Hälfte aller deutschen und österreichischen Hauskatzen übergewichtig ist. Selbst wenn es wirklich jemand schön fände, weil Liebe ja bekanntlich blind macht, ist eine dicke Katze immer eine kranke Katze.

Adipositas, also Fettsucht, ist genauso wie beim Menschen eine Krankheit. Sie entsteht, wenn die Katze in einer kleinen Wohnung eingesperrt ist, null Abwechslung hat, null Bewegungsmöglichkeit hat und ihr einziges Vergnügen Fressen ist.

Vor allem Trockenfutter, das eine sehr hohe Energiedichte aufweist und gleichzeitig sehr wenig satt macht, trägt dazu bei, dass Wohnungskatzen verfetten.

Eine gelangweilte einsame Katze frisst. Was soll sie sonst machen? Sie kann weder ein gutes Buch lesen, noch Fernsehen, telefonieren oder im Internet surfen. Sie kann auch die Wohnung - also ihr lebenslängliches Gefängnis - nicht verlassen. Sie stirbt vor Langweile und vegetiert folgerichtig vor sich hin. Nur deshalb frisst sie.

Zusätzlich erhält sie, wenn sie Aufmerksamkeit fordert, diese in Form einer liebevoll gereichten Leckerei. Geht schneller und ist bequemer als sich einmal mit dem Tier zu beschäftigen. Außerdem schaut sie doch so hungrig und lieb!

Für übergewichtige Katzen besteht ein erhöhtes Risiko an Diabetes zu erkranken. Sie haben ein erhöhtes Narkoserisiko, weil Fettzellen das Narkosemittel länger speichern und es dadurch viel langsamer abgebaut wird und insgesamt eine kürzere Lebenserwartung sowie eine verminderte Lebensqualität.

Leber, Nieren und Herz verfetten, die Gelenke werden überlastet, der Kreislauf macht Probleme. Das Immunsytem muss auf Hochtouren arbeiten, die Katze wird krankheitsanfälliger.

Besonders alte übergewichtige Katzen erkranken in weiterer Folge an Diabetes (Typ 2-Diabetes). Wird der Diabetes rechtzeitig erkannt, reicht oft noch eine Futterumstellung. Und eine Gewichtsabnahme um die Katze wieder gesund zu machen. Was denken Sie, wie es sich für eine zehn bis zwölf Kilo schwere Katze, die eigentlich nur drei bis vier Kilo Lebendmasse auf die Waage bringen sollte anfühlt, wenn sich ihr Körpergewicht fast verdreifacht? Ungefähr so als wäre ein Mensch, der sonst sechzig Kilo wiegt, plötzlich hundertzwanzig bis hundertachtzig Kilo schwer.

Tragen Sie mal bitte versuchsweise einen fünfzig Kilo schweren Zementsack eine Stunde lang durch die Gegend. So fühlt sich das für die übergewichtige Katze an.

Meist wird Diabetes leider erst zu spät erkannt und eine lebenslange Gabe von Insulin ist die Folge.

Problematisch wird es, wenn dicke Katzen unter Allergien leiden. Allergische Reaktionen werden leider sehr oft mit einer Langzeitgabe von Kortisontabletten therapiert, was zur Folge hat, dass diese Katzen keine oder eine sehr schwache Immunabwehr haben und Corticosteroide auch noch diabetogen wirken, also die Entstehung von Diabetes begünstigen.

Warum gibt man so gerne und so schnell Kortison?

Weil es billig ist und auf den ersten Blick sehr schnell wirkt. Kortison macht, dass Allergiesymptome, (aber nicht die Ursachen für die Allergie!) verschwinden oder besser werden, also das Jucken oder der Ausschlag oder die Entzündung für eine Zeit lang besser wird. Sobald das Kortison wieder abge-setzt wird, kommen die Symptome sofort oder kurz darauf wieder. Auch schon eine einzige Kortisoninjektion mit Depotwirkung reicht aus, um Diabetes auszulösen!

Bekommt eine adipöse Katze also Kortsiontabletten und dadurch Diabetes, wird die Behandlung extrem schwierig, da Kortison als Insulinantagonist wirkt, also gegen das Insulin arbeitet und so seine Wirkung verhindert. Somit ist eine Einstellung auf die nötige Insulindosis äußert problematisch und sehr schwierig.

Zumal Kortsion in der Tiermedizin überhaupt nichts verloren hat, dient es doch einzig und allein als schnelles Mittel, wenn beispielsweise nach einem Insektenstich im Maul akute Erstickungsgefahr droht. Es gehört weder als Allergiemedikament, noch als Schockmedikament, noch als Appetitanreger noch als Schmerzmittel oder als Entzündungshemmer eingesetzt. Leider ist das zwar fast allen klar, doch da Kortison so billig ist und sehr schnell ein Verschwinden der unerwünschten Symptome bringt, wird es immer noch täglich in fast jeder Praxis und in jeder Klinik gerne eingesetzt. Beispielsweise bei Allergien, Hauterkrankungen, Zahnfleischentzündungen und Pankreatitiden. Oder, in letzter Konsequenz, bei unheilbaren Tumoren.

Was dem Patienten natürlich noch mehr schadet als nutzt. Aber machen sie das mal jemand klar. Fest steht, die häufigste Ursache für eine Diabeteserkrankungen der Katze sind Trockenfutterfütterung und Corticoidtherapien.

Langes Tierleid, tägliche teure Insulinspritzen und Diätfutter wären also ganz leicht vermeidbar.

Die Diagnose „Diabetes“ kann man nur durch eine Langzeitzuckermessung im Blut stellen alles andere wäre schon eine Falschdiagnose. Diabetes darf niemals auf die leichte Schulter genommen werden, da es ohne die Gabe von Insulin zum Diabetischen Schock, in weiter Folge zu Koma und Tod führt.

Nehmen Sie also erste Symptome wie Heißhunger, Polydipsie und Polyurie immer ernst und gehen Sie rechtzeitig zum Tierarzt, da diese Krankheit unbehandelt immer tödlich endet.

Um gar nicht erst in diese Lage zu kommen, sehen Sie bitte nicht tatenlos zu, wie Ihre Katze immer dicker wird. Das ist nicht niedlich, sondern gefährlich. Versuchen Sie keine Crash-Diät, die den Stoffwechsel Ihrer Katze noch mehr durcheinander bringt.

Kaufen Sie kein „Spezial“ Diättrockenfutter, das nichts nützt.

Stellen Sie die Ernährung auf Frischfleisch um und verschaffen Sie Ihrer Katze ausreichend Bewegung. (Dazu zählt aber sicher nicht die Anschaffung eines „Laufrads“, welches alles andere als tierschutzkonform ist, und der Katze nur Stress bereitet)

Machen Sie es rechtzeitig, dann wird alles wieder gut.

Wie erkennt man das optimale Gewicht seiner Katze? Bei einer zu dicken Katze kann man die Rippenbögen an der Brustwand gar nicht mehr mit den Fingern tasten. Statt Knochen spürt man nur Fettgewebe. Am besten schnappt man seine Katze und stellt sich mit ihr gemeinsam regelmäßig auf eine Waage. Dies erfordert keinen Tierarztbesuch, man kann es zuhause stressfrei erledigen und so das Gewicht kontrollieren, indem man die Katze auf den Arm nimmt, mit ihr auf die Waage steigt, sich dann ohne Katze abwiegt und die Differenz ergibt das aktuelle Gewicht der Katze. Das genaue Gewicht zu kennen ist auch hilfreich bei der Dosierung von Medikamenten oder Spot-on Präparaten gegen Würmer, Zecken und Flöhe, wo man möglichst sehr genau nach Körpergewicht dosiert und nicht nach den „für Katzen mit drei bis sechs Kilogramm“- Gewichtseinheiten, die üblicherweise auf der Packung angegeben sind.

Herzlichst Bela Wolf,

Tierarzt, Autor und Tiergesundheitsjournalist

https://tierarztwolfblog.wordpress.com

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