Keine fünf Minuten ist es her, dass wir die Festmacherleinen der „Vaya Con Dios“ an den Klampen der Schwimmpontons im Hafen von A Coruña vertäut haben, da befinden wir uns im wilden Gespräch mit der Crew unseres Nachbarboots. Das norwegisch-israelische Pärchen kommt uns sozusagen entgegen, es ist mit ihren beiden Kindern auf dem Weg nach Süden, ins Mittelmeer. Das urige Holzboot der beiden hat es uns angetan, außerdem gibt es den Bordhund „Lolita“, der uns neugierig beschnuppert.
Rund um das Schiff der Familie hängt Wäsche zum Trocknen auf der Reling, an Deck liegt ein wildes Wirr-Warr an Werkzeug. Wie die meisten hier hat auch unser Stegnachbar einen weiten Weg über die Biskaya hinter sich – kaum ein Schiff übersteht den vier bis fünftägigen Schlag über den Golf zwischen Spanien und Frankreich komplett schadenfrei. Einen Steg weiter schallen kurze Kommandos aus fast zwanzig Metern Höhe hinunter – ein älterer Franzose hängt im Masttop und hat dort irgendwelche Reparaturen zu erledigen.
Ich mag eigentlich alle „Marinas“, wie Sportboothäfen in Seemannskreisen genannt werden. Ich liebe die Nähe zum Wasser, den Geruch nach Fisch und Salzwasser, das Ächzen der Leinen und das Geschrei der Möven. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass ich als Ostfriese an der See aufgewachsen bin und später zehn Jahre lang an der Elbe in Hamburg verbracht habe.
Das Kap Finisterre habe ich gerade umsegelt.
Es gibt aber auch diese speziellen und ganz besonderen Marinas, die mich ganz besonders in ihren Bann ziehen. Sie liegen entlang der großen Segelrouten der Weltmeere, in der Nähe von Kaps, an Meerengen oder auf Inseln weit draußen auf dem Ozean. Hier treffen sich die Segler, die nicht nur für Wochenend- oder Urlaubstörns unterwegs sind, sondern monate- oder sogar jahrelang auf ihren Booten leben. Einen Urlaubstörn verbringt man nicht an einem Kap am Atlantik, sondern in geschützen Buchten auf der Ostsee oder im Mittelmeer.
In Marinas wie dieser sind dieLangfahrtsegler unter sich.
Langfahrtsegler haben jede Menge abenteuerliche Geschichten auf Lager. Sie haben die Biskaya überquert oder den Atlantik, sie haben kleine und große Katastrophen erlebt und sind mit allen Wassern gewaschen. Ihre Boote sind nicht für laue Proseccoabende unter Palmen ausgelegt sondern für stürmische Nächte auf dem Ozean.
Man sieht den Booten das an: Während in den „Urlauberhäfen“ die meisten Yachten frisch poliert sind, zieren in Häfen wie Gibraltar, Mindelo, Gran Canaria oder eben A Coruña dicke Salzschichten die Decks. Die Besatzungen schlendern nicht mit weißen Polohemden über die Stege, sondern schleppen Proviant für den nächsten Schlag oder Werkzeuge, mit denen sie die Wunden an ihren Schiffen behandeln, die die hohe See an ihnen hinterlassen hat.
Auch ich verbringe den Rest des Nachmittages mit Wäsche waschen, einkaufen und Bootsreparaturen. Am Abend sitze ich mit meiner Crew an Deck der „Vaya Con Dios“. Morgen werden wir ablegen, es geht Richtung Norden über die Biskaya – vier oder fünf Tage wird der Törn dauern, je nachdem, wie der Wind weht. Ich nippe an meinem Glas mit billigem Wiskey aus dem Hafenshop, schaue auf die zahllosen Masten im Hafen und frage mich, wen ich wohl beim nächsten Festmachen kennen lernen werde.
Ich werde dann in Frankreich sein. Brest liegt am Kap Pointe de Saint-Mathieu und direkt am Eingang zum englischen Kanal. Ein klassicher Anlaufpunkt für echte Langfahrtsegler.