Mein offener Brief an Andreas Gabalier von vergangener Woche hat für einen Wirbel gesorgt, wie ich ihn selten erlebt habe. In der Regel diskutiere ich gerne mit jedem einzelnen User, jedoch war es mir bei der Masse an Postings nicht mehr möglich.
Ich fasse nun das Destillat der vielen Kommentare zusammen: Einerseits bekam ich viel Befürwortung für meinen Aufruf an Gabalier, doch etwas mehr Toleranz an den Tag zu legen. Anlass war folgender Sager, den er bei der Amadeus-Verleihung trotzig ins Publikum warf: „Heutzutage hat man es halt schwer, wenn man als Manderl auf ein Weiberl steht.“
Anderseits gab es auch regen Gegenwind: Manche meinten, dass Gabalier einfach Recht habe, schließlich ginge diese „verherrlichende Gleichstellung von Homo- und Heterosexuellen schlichtweg zu weit“ und überhaupt habe man diesen Rummel um Conchita Wurst satt. Andere meinten, Gabalier verfolge einfach nur einen „genialen PR-Plan“.
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Die meisten meinten jedoch, dass Gabalier doch sagen soll, was er will. Und überhaupt müsse dieser „Meinungsterror“ gegen „Andersdenkende“ endlich ein Ende haben. In diese Kerbe schlug übrigens auch der Kritisierte selbst, der via Facebook ausrichten ließ, dass Menschen, die Toleranz einfordern gefälligst auch seine Meinung akzeptieren müssen, da es sich sonst um „Toleranzheuchelei“ handle. Rückendeckung erhielt er dabei übrigens von Stratosphären-Springer Felix Baumgartner, der ebenfalls medial ausrichten ließ: „Man(n) kann diesem Bursche nur gratulieren, denn von deiner Sorte gibt es nicht mehr viele.“
Gerade das Thema Meinungsfreiheit hat auf dieser Plattform bereits öfters für heftige Diskussionen gesorgt, weshalb ich folglich gerne festhalten möchte: Ja, wir haben in Österreich eine Meinungsfreiheit. Das bedeutet aber nicht, dass jeder einfach sagen kann, was er will.
Es gibt Aussagen, die einfach zu weit gehen. Darüber entscheiden nicht gewisse „Toleranzheuchler“, sondern in erster Linie das Gesetz. Im österreichischen Strafgesetzbuch gibt es etwa den berühmten Verhetzungs-Paragraphen § 283, der etwa untersagt, dass zur Gewalt gegen Religionsgemeinschaften aufgerufen wird, oder Menschen mit bestimmter sexueller Ausrichtung öffentlich verächtlich gemacht werden. Gabaliers Aussagen erfüllen wohl noch nicht einen strafrechtlichen Tatbestand – verwerflich darf man sie aber allemal finden. Übrigens ist auch das Internet kein rechtsfreier Raum: Im Falle einer Klage müssen Plattformen die Benutzerdaten von Postern heraus rücken, die in ihren Beiträgen und Kommentaren klar gegen das Strafgesetz verstoßen.
Nun aber zurück zum Volks Rock'N'Roller, der in einem Krone-Interview klar gestellt hat: „Ich hab' null Problem mit Schwulen. Dass ich jetzt ein homophobes Arschloch bin, dagegen wehre ich mich. Ich habe mit Schwulen oft eine Gaudi, kenne selber drei: ein Volksmusikpärchen und den Alfons Haider. Den mag ich, mit dem habe ich gescherzt am Opernball.“
Ist Herr Gabalier doch toleranter, als wir glauben? Schön wärs. Ich hätte an Stelle der Interviewerin gerne nachgehakt und ihn gefragt: „Sind Sie dafür, dass schwule und lesbische Paare Kinder adoptieren dürfen?“
Bei dieser Frage spaltet sich nämlich schnell die Spreu vom Weizen.
Im Zuge einer profil-Titelgeschichte zum Thema Vorurteil, die ich vergangenes Jahr gemeinsam mit Kollegen anlässlich des Songcontest-Sieges von Conchita Wurst geschrieben habe, wurde eine Umfrage durchgeführt. Diese ergab, dass Homosexuelle bereits eine breite Akzeptanz genießen – so lange Sie nur nicht dieselben Rechte wie Heterosexuelle einfordern. So meinten etwa 71 Prozent, dass sie kein Problem mit Conchita Wurst als Nachbarin hätten, jedoch waren nur 42 Prozent für eine Adoptions-Erlaubnis von gleichgeschlechtlichen Paaren (obwohl unzählige Studien bereits belegt haben, dass es diesbezüglich keine entwicklungspsychologischen Bedenken gibt).
Von Toleranz bleibt bei näherer Betrachtung leider oft nicht so viel übrig.
Aber auch ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich nicht vorurteilsfrei bin. Kein Mensch kann ohne Vorurteile leben, erklärten mir und meinen Kollegen Psychologen während der Recherche zu der besagten Titelgeschichte – schließlich würden Klischees und Vorbehalte der „psychischen Ökonomie“ dienen. Vor allem in Zeiten der Informationsfülle und Reizüberflutung würden wir zur Schubladisierung tendieren, da es uns das Denken vereinfacht.
Vielleicht sollten wir aber trotzdem alle versuchen, an unserer „Toleranzheuchelei“ zu arbeiten. Ich für meinen Teil akzeptiere, dass ich offensichtlich Intolerant gegenüber der Intoleranz bin. Eine sehr verzwickte Sache.
Aber bereits Albert Einstein meinte: „Es ist leichter, einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil.“