Nein, ich will nicht mehr. Ich bin müde. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht zumindest ein paar Minuten ungläublig auf meinen Computermonitor starre.

Der Fremdenhass durchzieht mittlerweile die sozialen Medien und die Internet-Foren wie ein schmieriger Ölteppich nach einem Tankerunglück das Meer.

Keine Todesart, die den Flüchtlingen in Traiskirchen noch nicht gewünscht wurde. Verbrennen. Erschießen. Von einer Klippe stoßen. Oder am besten gleich die überfüllten Schlepperboote im Mittelmeer versenken.

Aber woher kommt dieser extreme Rassismus?

Ist die Antwort darauf wirklich so simpel, wie jene, die der deutsche Musiker Farin Urlaub (Die Ärzte) der FAZ in einem Interview gab: „Solange es Leute gibt, die nichts können, nichts wissen und nichts geleistet haben, wird es auch Rassismus geben. Denn auch diese Leute wollen sich gut fühlen und auf irgendetwas stolz sein.“

Urlaub erhielt viel Beifall – jedoch auch Kritik. So einfach sei das alles nicht, meinen andere. Sie behaupten, dass der Fremdenhass in Wahrheit nur die Angst vor dem sozialen Abstieg ist, die angesichts der wirtschaftlich angespannten Situation noch verstärkt wird.

Wieder andere meinen, dass das nationalsozialistische Gedankengut einfach nie wirklich aus diesem Land verschwunden ist und nun hervor bricht wie ein vor sich hin dösender Herpes-Virus, der nun an die Oberfläche dringt und eine Fieberblase auf die Lippe zaubert.

Und manche geben gar den Chemtrails Schuld. Es sei ganz klar: Wir werden alle von bösen Mächten absichtlich in einen Krieg gelotst (ich muss tatsächlich auf meiner Facebook-Seite Diskussionen über so einen Unsinn führen).

Eines ist aber in jeden Fall klar: Die Antwort auf die Frage ist komplex und derzeit zerbricht sich ein ganzer Haufen hochqualifizerter Menschen – vom Soziologen bis zum Philosophen – ­den Kopf darüber. Und jeden Tag erscheinen tausende Essays, Kommentare und Artikel zu dem Thema.

Und auch ich werde in diesem kurzen Blog keine allgemeingültige Antwort finden.

Ich möchte die Debatte aber mit einer kleinen Geschichte über die menschliche Psychologie bereichern, die bislang unterbelichtet blieb: Der Homo sapiens ist ein soziales Wesen, das erkannt hat, dass das Leben in einer Gruppe einfacher ist. Damit ein solches aber halbwegs reibungslos verläuft, musste er nicht nur die Sprache entwickeln, sondern vor allem die Fähigkeit, sich in andere hinein zu versetzen. Und natürlich muss der Mensch auch zu seinen Mitmenschen Gefühle entwickeln. Das Gehirn schüttet dann in Form des Hormons Oxytocin eine Art soziale Gleitmittel aus. Es wird unter anderem auch Kuschelhormon genannt, da es für das schönste Gefühl sorgt, das ein Mensch haben kann: Die Liebe. Oxytocin sorgt zum Beispiel nach der anstrengenden Geburt dafür, dass eine Mutter Glücksgefühle erlebt und sofort eine tiefe Bindung zu ihrem Kind aufbaut.

Doch Forscher haben herausgefunden, dass das Kuschelhormon auch eine dunkle Seite hat. Oxytocin ist die Grundlage dafür, dass wir anderen vertrauen und uns unseren Mitmenschen verbunden fühlen – gleichzeitig verstärkt es jedoch die Abneigung gegenüber anderen sozialen Gruppen. Niederländische Forscher veranstalteten etwa Gruppenspiele und verabreichten einigen Probanden Oxytocin per Nasenspray. Diese begannen darauf hin die Mitglieder ihrer Gruppe sofort deutlich stärker zu bevorzugen, auch wenn das letztendlich für sie alle Nachteile hatte.

Oxytocin schürt also auch Fremdenhass, Aggression und Gewalt gegenüber Mitgliedern anderer sozialer Gruppen. Warum ist das so? Dafür gibt es eine einfache evolutionsbiologische Erklärung: Eine soziale Gruppe besteht meist aus Verwandten, die sich genetisch sehr ähneln. Und schließlich geht es in der Evolution nur darum, irgendwie im Genpool erhalten zu werden. Das erklärt auch Altruismus. Der ist übrigens nicht nur dem Menschen vorbehalten: Auch Bakterien opfern sich für den Stamm. Antibiotikaresistenzen entstehen etwa dadurch, dass ein Bakterium, das eine erfolgreiche Abwehr gegen ein Medikament entwickelt hat, diese Information per Botenstoff an seine Freunde weitergibt. So wird der ganze Stamm resistent. Doch das Betreiber einer solchen Infoschiene kostet viel Energie, so das der ursprüngliche Sender das meist nicht überlebt. Er stirbt quasi als Märtyrer.

So viel zum Kuschelhormon.

Aber wir Menschen bestehen zum Glück nicht nur aus Hormonen, sondern auch aus Nervenzellen und vielen hochleistungsstarken Gehirnzentren. Wenn wir wollen, so können wir rationale Entscheidungen treffen – und schließlich wollen wir uns weiter entwickeln und uns nicht mehr wie hinterwäldlerische Clans bekriegen.

Außerdem haben wir gelernt, dass eine genetische Vielfalt etwas Wunderbares ist. Was beim Herumtümpeln im eigenen Genpool heraus kommt, das haben wir ja bei den Habsburgern gesehen.

Deshalb nun mein Rat an euch Rassisten und Hassposter: Wie ihr seht, ist euer Fremdenhass ein Relikt prähistorischer Verhaltenspsychologie.

Ihr benehmt euch wie Höhlenmenschen, die heute zwar nicht mehr mit Faustkeilen, dafür mit Facebook hantieren. Begreift die Flüchtlinge und Zuwanderer als kulturelle Bereicherung und wirkliche Zukunftschance.

Leben ist Entwicklung. Ihr aber seid in der Steinzeit stecken geblieben.

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