Über Gewinner und Verlierer der Gebärmutterlotterie

Wenn es so etwas wie eine Gebärmutterlotterie gäbe, dann hat sie vermutlich einen Zehnfachjackpot gezogen: Die Rede ist selbstverständlich von jenem neugeborenen Mädchen, das vergangenen Samstag um 8.34 Uhr in Großbritannien das Licht der Welt erblickte.

Das ist an sich noch nicht so etwas besonderes, schließlich werden weltweit pro Sekunde vier Babys geboren. Doch dieses Mädchen ist zufällig jenes von Prinz William und seiner Frau Kate und steht damit an fünfter Stelle der britischen Thronfolge. Damit ist die Kleine ein Medienstar, obwohl sie noch nicht einmal einen Namen hat – was wiederum ein weltweites Wettfieber ausgelöst hat.

Ich persönlich verstehe ja absolut nicht, wie etwas so modriges wie eine machtlose Monarchie ein derartiges Interesse entfachen kann, aber bitte. Wirklich schaurig wurde mir aber zumute, als ich in den Fernsehnachrichten am Abend direkt auf die Bilder vom Windel-Prinzesschen Aufnahmen von verletzten nepalischen Kindern sah, die das Erdbeben nur knapp überlebt haben und von denen viele nun Waisen sind. Darauf folgte ein Beitrag von abgemagerten, afrikanischen Kleinkindern, die von einem überfüllten Flüchtlingsboot gerettet wurden und nur knapp dem Ertrinkungstod entgingen. Kurz darauf wurden ebenso unterernährte nigerianische Frauen und Kinder eingeblendet, die aus den Fängen der extremistischen Gruppe Boku Haram befreit werden konnten. Viele von ihnen, auch Minderjährige, wurden gezwungen, zum Islam überzutreten. Dann wurden sie zwangsverheiratet und missbraucht.

Um zu verdeutlichen, welches Glück das Royal-Baby hatte, vom Storch in einem Palast abgeworfen zu werden, habe ich ein paar Zahlen zusammen getragen. Freilich muss die Kleine Windsor einmal damit leben, ständig in der Öffentlichkeit stehen und enorme Erwartungshaltungen erfüllen zu müssen. Das ist jedoch nichts gegen das Schicksal, das andere Kinder erwartet, die bei der Gebärmutterlotterie leider leer ausgegangen sind:

76,5 Millionen Kinder leben weltweit in Armut. Seit der Finanzkrise sind sogar in den reichsten Ländern der Welt 2,6 Millionen Kinder betroffen. 2050 werden aufgrund des Klimawandels zusätzlich 24 Millionen Kinder in Armut leben. Fast die Hälfte von ihnen in der Sub-Sahara Zone in Afrika.Im Moment leben 720 Mädchen und 156 Millionen Männer in Zwangsehe. Unter den Frauen wurden sogar 250 Millionen noch vor ihrem fünfzehnten Lebensjahr verheiratet.In den Bürgerkriegen im Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik waren pro Jahr schätzungsweise 22.000 Kinder und Jugendliche als Soldaten im Einsatz.2,9 Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jährlich an Unterernährung.Durch das Erdbeben in Nepal müssen 1,7 Millionen Kinder Not leiden.17 Prozent der Kinder weltweit werden von ihren Eltern mit Schlägen erzogen. In Ägypten, Jemen und Tschad erfahren sogar 40 Prozent der Kinder schwere Prügelstrafen.Weltweit erfährt jeder dritte Schüler im Alter zwischen 13 und 15 Jahren regelmäßig psychisches und physisches Mobbing.Weltweit ist nahezu jedes dritte Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren in einer formalen Partnerschaft Opfer von emotionalen körperlichen oder sexuellen Misshandlungen durch ihren Partner. Das sind insgesamt 84 Millionen.Schätzungsweise jedes zehnte Mädchen auf der Welt macht in ihrem Leben die Erfahrung, zu sexuellen Handlungen gedrängt oder gezwungen zu werden.Im Jahr 2012 wurden rund 95.000 Kinder und Jugendliche unter zwanzig Jahren ermordet.169 Millionen Kinder werden weltweit zur Arbeit gezwungen.Weltweit haben 72 Millionen Kinder keinen Zugang zu Bildung.Angesichts dieser Zahlen kann man dem Royal-Baby wirklich gratulieren. Die Wettchancen auf ein richtig schlechtes Leben stehen nämlich leider sehr hoch.

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Silvia Jelincic

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Herbert Erregger

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fischundfleisch

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