Warum sich unsere Arbeitswelt schnellstens ändern muss

Es sei eine „absolut ernst zu nehmende Situation“, kommentierte AMS-Chef Johannes Kopf jüngst die steigende Arbeitslosigkeit in Österreich. Im Jänner 2015 waren 472.539 Personen in Österreich ohne Job. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 5,1 Prozent. Insgesamt liegt die Arbeitslosenquote bei 10,5 Prozent. Nur in den Jahren 1951, 1953 und 1954 war die Lage schlimmer.

Diese nackten Fakten sprechen schon für sich.

Doch nun publizierten englische Forscher eine Studie, die zu einem erschreckenden Ergebnis kommt: Langzeitarbeitslosigkeit kann sich nicht nur negativ auf die Psyche auswirken und Depressionen begünstigen – sie kann direkt die Persönlichkeit verändern. Studienleiter Christopher Boyce von der Universität Stirling wertete mit seinem Team Daten von insgesamt 6.769 deutschen Erwachsenen aus. Innerhalb von vier Jahren absolvierten sie zwei Mal einen Standard-Test, bei dem fünf Eigenschaften ermittelt wurden, die unter Forschern „Big Five“ genannt werden, da sie am meisten Aufschluss über die menschliche Persönlichkeit geben: Pflichtbewusstsein, Emotionalität, Freundlichkeit, Extrovertiertheit und Offenheit.

Die Auswertung überraschte selbst die Wissenschaftler. „Bisher war uns nicht bewusst, wie tiefgreifend die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die menschliche Psyche sein können“, so Boyce. Die Quintessenz der Studie: Wer lange Zeit keinen Job hat, der wird in der Regel dauerhaft zu einem weniger pflichtbewussten, introvertierten und schwer umgänglichen Menschen. Dies wiederum vermindert die Chance, einen neuen Job zu finden.

Gerade in wirtschaftlich prekären Zeiten, in denen die psychischen Erkrankungen rapide zunehmen, da sich immer mehr Menschen ausgebrannt fühlen und sogar Kinder und Jugendliche den Leistungsdruck zu spüren bekommen und vermehrt an depressiven Verstimmungen leiden, müsste eine solche Forschungsarbeit zu einem Aufschrei führen.

Ich hoffe sogar, dass solche Erkenntnisse bald ein Umdenken bewirken und sich endlich unsere Arbeitskultur grundlegend ändert.

Denn noch immer wird ein unheimlicher Druck auf Mitarbeiter ausgewirkt, die Hierarchien sind äußerst streng und in vielen Unternehmen gibt es noch immer Stechuhren. Dabei sollte Arbeitgebern längst klar sein, dass es um Ergebnisse geht – eine Anwesenheitskontrolle trägt dazu nichts bei, sie ist nur ein weiteres Kontrollinstrument.

Der US-Autor Daniel Pink schrieb vor Jahren den Bestseller „Drive“, in dem er ausführlich erklärt, dass nichts über motivierte Mitarbeiter geht. Übrigens wirkt sich laut Pink auch das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“, sprich Boni-Zahlungen und Abstrafen, negativ aus. Der Schlüssel läge in einem Mix aus autonomen Arbeiten, bei dem das eigene Talent eingesetzt werden kann und bei dem die Sinnhaftigkeit klar wird.

Doch auch unser Bildungssystem steckt noch im 19. Jahrhundert fest. Dabei geht es längst nicht mehr darum, einfach nur funktionierende und hörige Menschen zu produzieren. Diesen Herbst besuchte ich die Elite-Universität Stanford in Kalifornien. Das Institut, das dort alle besuchen wollen, nennt sich „D-School“. Gelehrt wird dort: Kreativität. Studenten von verschiedenen Fächern versuchen gemeinsam neue Wege zu erschließen. Die Zielorientiertheit (ein von Managern so geliebter Begriff) steht hier nicht im Zentrum, da sich die Welt immer schneller verändert und sich die Perspektiven ständig verschieben. Nur wer querdenken kann, wird sich den zukünftigen Herausforderungen stellen können. Sogar der Leiter der D-School erklärte mir in einem Gespräch, dass es schwer sei, unter den Studenten geeignete Kanditaten zu finden: „Es mögen hier zwar die besten Studenten der Welt sein, aber gerade diese sind oft so streberhaft und in ihren Strukturen versteift – es ist eine schwere Arbeit, sie zu kreativen Denkprozessen zu bewegen.“

Mehr Kreativität, das wünsch ich mir auch für unser Bildungssystem und die Arbeitswelt, die leider immer mehr zermürbt zurück lassen.

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